Ich erinnere mich noch gut an meine erste Begegnung mit einem Drachenkopf. Ist erst wenige Jahre her, ich verspeiste ihn auf der Terrasse eines Kiosko in El Remo (La Palma), einem dieser legendären kleinen Fischlokale mit Strandlage im Südwesten der Kanareninsel. Der knallrote Bursche, im Ganzen serviert, sah furchterregend aus, und mir schauderte erst recht, als ich noch während des Essens in der Wikipedia-App über das Gift seiner Flossen lesen musste, es könne „auch für den Menschen tödlich sein.“ Würden meine Augen mitessen, ich hätte keinen Bissen genommen. Aber meine kulinarische Neugierde war stärker. Und so kam ich in den durchaus delikaten Genuss eines Speisefischs, dessen festes weißes Fleisch mich geschmacklich an Seeteufel erinnerte.
Mit dieser Erinnerung im Hinterstübchen stöberte ich neulich im Hofladen der Wasgau Ölmühle, der direkt gegenüber dem Deutschen Schuhmuseum in Hauenstein zu finden ist. Und erschrak, als ich plötzlich ein Fläschen mit der Aufschrift Drachenkopföl entdeckte. Ist das etwa Fischöl, zum vergiften der giftigen Schwiegermutter? Das E 605 der Seeleute und Küstenbewohner? Ich drehte das Fläschchen um, in Erwartung eines Totenkopfsymbols oder diverser Warnhinweise, doch auf dem Rückseitenetikett fand sich nichts dergleichen. Sollte das Tröpchen wirklich gefahrlos genießbar sein? Ich träufelte etwas von dem kräftig grünfarbenen Öl in einen Probierbecher, während sich in meinem Kopf mögliche Herstellungsszenarien abspielten.
Die Haut des Drachenkopfs ist von bemerkenswert außergewöhnlicher Textur, sehr fest, beinahe ledrig. Man könnte Handtaschen daraus machen. Oder Schuhe. Aber nein, statt nachhaltig mit dem Nebenprodukt umzugehen, maischt man das Ganze wahrscheinlich ein und presst den Murks zusammen bis Öl raustropft. Da kann man wirklich nur hoffen, dass die Giftstacheln vorher säuberlich entfernt wurden.
„Kann ich Ihnen helfen?“ Eine Mitarbeiterin des Ladens steht plötzlich neben mir und reißt mich aus meinen Gedanken. „Ähem, ja. Was hat es mit dem Drachenkopföl auf sich?“ Natürlich erzähle ich ihr nichts von meinen wirren Überlegungen, die ich aus purer Lust am Grenzabsurden immer wieder anstelle. „Der iberische Drachenkopf ist eine alte, fast vergessene Ölpflanze. Sie ist reich an Omega-3-Fettsäuren. Wie schmeckt’s Ihnen?“, antwortet sie. „Riecht und schmeckt nussig“, gebe ich pflichtschuldig meinen Senf dazu. „Probieren Sie gerne weiter, wir haben noch viele andere Öle“, sagt die freundliche Mitarbeiterin und wendet sich anderen Kunden zu.
Nun ist Öl pur verkosten eine andere Nummer als Wein schlürfen, wo man den Probierschluck problemlos in einen Übelkübel speien kann. Das Öl muss dagegen den Rachen runter, und diese Art Gleitfluss ist reichlich speziell, löst gerne mal ein bürstiges Kratzen aus. So viel zum Thema Geht runter wie Öl. Trotzdem bleibe ich dran, bin schließlich nicht zum Spaß hier. Am Ende ist der Erkenntnisgewinn groß, da ich einige wunderbar aromatische Öle für mich entdecken konnte. Mein Favorit? Obwohl durchaus genussbringend, ist es nicht das Drachenkopföl, sondern das tasmanische Bergpfefferöl mit einer wunderbar feinen fruchtig-scharfen Note. Ein paar Tropfen reichen, um damit nahezu jeder erdenklichen Zubereitung eine exklusive Würze zu verleihen.
Auch das Hanföl, das keltische Leindotter-Kräuteröl und das Mariendistelöl sind mir positiv in Erinnerung geblieben, wobei ich nicht das ganze Programm durchverkosten wollte. Die Ölspur im Rachen war auch so schon nachhaltig genug. Das restliche Angebot werde ich beim nächsten Besuch probieren.
Produkte der Wasgau-Ölmühle können außer Haus nur über den Umweg des Einzelhandels bezogen werden. Eine Liste der Adressen findet sich hier.