Die TAZ und der Schock in Schaum

Autor Till Ehrlich macht das, was ich von einem Beitrag in der TAZ erwarte, der moderne Küche abhandelt: Er verteidigt die Tradition. Warum einen Koch wie Adrià verstehen, wenn es doch viel einfacher ist, das eigene Unverständnis in einen amüsant zu lesenden Text zu kleiden, der eine kritische Haltung gegenüber einem Kochstar suggerieren soll, ohne diesem eine gewisse Genialität abzusprechen? Die Deutungen von Adriàs Schaumlust zum Beispiel sind schlicht falsch. Der Spanier nimmt Gerichten nicht nur Biss und verarbeitet sie zu Schäumen und „Ejakulaten“ sondern sorgt auch für gegenteilige Effekte. Wenn ich nur an Adriàs karamellisiertes Olivenöl denke, da wird Flüssiges knusprig. Derartige Kreationen muss man nicht gut finden, aber sie bewegen etwas, weil sie durchdacht sind. Adrià geht besonders Texturen sehr überlegt an und trägt auf diese Weise (wie einige seiner Kollegen auch) dazu bei, dass Kochen aus der Bastelecke herauskommt. Er kocht transparenter als jeder andere. Nahezu jedes seiner Rezepte wurde veröffentlicht, er macht kein Geheimnis daraus. Im Gegenteil, er will, dass man sich mit seiner Küche auseinandersetzen kann. Niemand will Herrn Ehrlich den Genuss eines Steinpilzrisottos verleiden, ich nicht und Adrià schon gar nicht. Aber muss er unbedingt wieder die Pein des ungestillten Hungers wegen zu kleiner Portionen bemühen, die schon zu Zeiten der falsch verstandenen Nouvelle Cuisine lang und breit diskutiert wurde? Und den Bezug zu Bocuse, der seine Schüler immer ermahnt hätte, nicht zu dekorieren, verstehe ich im Zusammenhang mit Adriá nun wirklich nicht, weil der Mann kein Essen aufhübscht sondern Aromen spannend kombiniert. Wirklich witzig ist allerdings Ehrlichs Anekdote aus der Buchhandlung „Kochlust“, wo der Verkäufer kein deutschsprachiges Exemplar von Adriàs neuem Kochbuch vorrätig hat und über derartige Wünsche nur die Nase rümpft, nach dem Motto: Das Alte Testament liest man im Original, im hebräischen Urtext, und Adrià liest man auf Katalan.

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