Jamie Oliver im stern-Interview

Jamie im sternIch bin bekennender Oliverianer. Denn der Kerl hat alles, was ein Fernsehkoch braucht. Er transportiert in seinen Sendungen Kochwissen wie kein Zweiter, er nutzt seine Popularität, um die schlechte Schulernährung aus den Kantinen zu verdammen und legt sich dafür auch mit Ministerien, Kantinenköchen und Eltern an. Und dann fördert er noch Jugendliche, die am Rande der Gesellschaft leben, durch sein Ausbildungsprojekt fifteen. Nicht mit ein paar Pfund Spendengeldern, sondern mit höchstpersönlichem Einsatz als Ausbilder am Herd.
Im stern-Interview entlockte ihm Redakteur Stephan Draf einige lesenswerte Anekdoten, Dinge, die einem wie Jamie täglich widerfahren. Der Londoner Koch beweist auch in diesem Interview, warum er der zur Zeit wichtigste Koch der Welt ist und nicht Adrià, Ducasse, Arzak oder Gagnaire, deren Leistungen ich weiß Gott nicht schmälern will. Denn Jamie erreicht die Menschen. Vor allem viele aus der jungen Generation sind darunter, hunderttausende Twens und Thirtysomethings, für die sich Kochen im Aufbacken und Erwärmen von Tiefkühlkost zu erschöpfen droht. Unsere kulinarische Zukunft liegt in ihren Händen. Sie werden mit ihrem Kaufverhalten entscheidend dazu beitragen, welche Produkten in den nächsten Jahrzehnten unsere Märkte beherrschen. Die Verkaufszahlen von Jamies Kochbüchern sind enorm. Auf zehn Harry Potter Bücher kommt immerhin eins von Jamie. Damit hat er mehr Einfluss auf die Küche des Alltags als irgend ein anderer Koch in der Welt. Und was das Beste ist: Er weckt die Lust auf frisches, anspruchsvolles Essen aus tiefster Überzeugung, ohne dabei mit dem erhobenen Zeigefinger zu nerven. Er ist smart und nicht allzu missionarisch, obwohl seine Kinder (4 und 5 Jahre alt) keine Cola bekommen, was ich völlig okay finde, aber bei anderen Eltern leider längst nicht mehr selbstverständlich ist. In dieser Sache habe ich mich erst vor wenigen Wochen beim Kindergeburtstag meines Sohnes unbeliebt gemacht, weil ich mich von einigen fünf- bis siebenjährigen Knirpsen nicht überreden ließ, Cola zu kaufen.
Die aktuelle Holz-Ausgabe des stern ist aber nicht nur wegen des Jamie Interviews interessant. Viel mehr überzeugen mich der gute Themenmix, die gewohnt ansprechende Aufmachung und die sehr gute Schreibe der sauber recherchierten Geschichten. Muss einfach auch mal gesagt werden. Bei dem Buchstabenschrott, der einem fast überall begegnet, für mich besonders wohltuender Lesestoff.

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