Mit etwas Verspätung bekam ich kürzlich eine Story von Barbara Supp zu lesen, die sie in der Holzausgabe des Spiegel (2.4.07) veröffentlicht hat. Das kommt davon, wenn man – wie ich – glaubt, nicht unbedingt jede Ausgabe des Magazins kaufen zu müssen: Ich hätte beinahe einen der wichtigsten und unterhaltsamsten deutschsprachigen Beiträge über Essen verpasst, der mir in den letzten Jahren untergekommen ist. Als Dossier gibt’s den Beitrag hier. Supp startet, ohne Umwege, mit dem bedeutendsten Aspekt in ihre Geschichte: Sensorisches Tuning. Die große Lebensmittelindustrie verfügt nämlich über eine Reihe Möglichkeiten, billigsten Grundstoffen Aromen zuzugeben, die zum Beispiel Erdbeerjoghurt ohne Erdbeeren nach Erdbeeren schmecken lässt. Klar, dass in diesem Zusammenhang auch die Firma Symrise genannt wird, die zu den Global Playern auf dem Gebiet sensorischer Analyseverfahren und bei der Herstellung künstlicher Aromen gezählt werden muss. Bei einem Besuch der Website von Symrise stieß ich auf eine Liste, mit der das Unternehmen dokumentiert, welche so genannten Megatrends sie derzeit weltweit sieht. Dazu gehören Gesundheit, Nachhaltigkeit, Natürlichkeit, Bequemlichkeit, Einfachheit, Individualität und etwas, das Symrise mit „multsensory“ umschreibt, ein Begriff, der mir im Zusammenhang mit Megatrend nicht so recht verständlich ist und auch nicht einleuchten will. Sensualitity, also Sinnlichkeit würde dagegen durchaus in die Reihe passen.
Meine Vermutungen über die Entwicklung unserer Nahrungsmittelproduktion in den nächsten zehn, fünfzehn Jahren, sehe ich durch Supps Beitrag bestätigt. Die beiden schon seit Jahren grundsätzlich unterschiedlichen Ansätze: industriell hergestellte Massenproduktion einerseits und werthaltige, auf hohe ökologische Standards abgestimmte Erzeugung andererseits, werden weiter unversöhnlich gegeneinander stehen. Wobei die große Lebensmittelindustrie den so genannten „Biotrend“ weiter aufnimmt und entsprechende Produkte in die Supermärkte drückt. Andersherum werden ideologiefreie Kleinproduzenten verstärkt Gerät und Techniken – soweit unbedenklich – nutzen, mit denen auch die Großindustrie arbeitet. Das setzt eine noch stärkere Vernetzung der Betriebe in Verbänden und Kooperativen voraus. Aber diese Entwicklung wird sich weiter verstärken, denke ich.
Und was ist mit dem Konsumenten? Da Essen in Deutschland kein hohes Kulturgut ist und die soziale Situation ein Übriges tut, wird er in Supermärkten weiter billige Massenprodukte kaufen. Größer wird dort aber ganz sicher das Angebot an Billig-Bio und Functional Food werden (also Tütensuppen mit Vitaminzusätzen, Schokolade mit einer Extraportion Mineralien oder ähnlicher Kirmeskram). Denn eine gute Gewissenslage will ja fast jeder Konsument mit einkaufen. Je günstiger er die kriegt, umso besser. Wenn kleine, regionale Erzeuger aber lernen, in Sachen Marketing besser zu werden und ihre Netzwerkstrukturen zu verbessern, dann dürfte ihr Einfluss auf den Konsumenten langsam aber sicher größer werden.