Nach kurzen Stationen als Küchenchef in den Berliner Restaurants Remake und Goldrot macht der Adrià-Schüler Cristiano Rienzner nun sein eigenes Ding. Zusammen mit Lebensgefährtin Monika Neubacher und Juli Solér, bekannt geworden als kongenialer Partner Adrias im El Bulli, will er mit dem „Taller Berlin“ nicht nur einen auf molekulare Kochbedürfnisse zugeschnittenen Kaufladen etablieren sondern auch Kochkurse für Profis und ambitionierte Hobbyköche anbieten.
Einen Hinweis darauf, warum Rienzner seine Art zu kochen Metaphoric Cuisine nennt, liefert der Gourmet-Report. Er zitiert den gebürtigen Venezianer mit den Worten „Ich finde den Begriff ‚Molekularküche‘ irreführend. Das klingt chemisch. Meine Küche ist wie Malerei oder Musik, eine Interpretation der Realität“. Holla, die Waldfee – Methaphoric Cuisine. Zugegeben, in gewisser Weise hat die Bezeichnung Charme, weil der Begriff Molekularküche tatsächlich nicht das beschreibt, was von Köchen wie Adrià, Blumenthal oder den Rocas geschaffen wird, und insofern die Verbindung zum Begriff Metapher passt, weil er (der Begriff) auch für Dinge steht, für die es (noch) keine passenden Wörter gibt. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist Metaphoric Cuisine sogar eine erstaunlich kluge, erheiternde und hintergründige Betitelung des neuen Kochstils, der wahrhaftig keine Molekularküche ist.
Aber in der zitierten Begründung Rienzners offenbart sich diese Tiefe nicht. Auf mich wirkt sie eher irreführend. Was ist eine „Interpretation der Realität“ anderes als die Realität? Im besten Fall eine neue Realität. Ich kann Alain Ducasses berühmte Nudeln mit Trüffeln und Hoden vom Hahn interpretieren, aber ist es deshalb gleich Metaphoric Cuisine? Im Grunde scheint Rienzner damit nichts anderes sagen zu wollen, als dass seine Art zu Kochen Kunst ist. Und flugs sind wir wieder bei der beliebten Debatte angekommen, die schon seit Jahrzehnten immer wieder geführt wird, nämlich ob Kochen Kunst ist oder besser, Kunst sein kann oder nicht.
Aber dazu braucht es diesen Begriff nicht, dazu braucht es überhaupt keinen neuen Begriff. Es braucht ihn nur, um die Vorurteile über die neue Art des Kochens abzubauen, die mit dem Begriff Molekularküche verstärkt werden. Ja, ich benutze ihn auch immer noch. Und zwar deshalb, weil er richtig ist. Allerdings beschreibt er eben das gesamte Spektrum des wissenschaftlich basierten Kochens, aber nicht explizit das, was daraus zum Teil erwächst, nämlich die kreativen Ausbrüche einiger Spitzenköche, die ihren Beitrag zur modernen Esskultur dadurch leisten, dass sie mit dreißiggängigen Menüs eine Schule der Wahrnehmung etablieren. Es geht auch um die geringe Aufmerksamkeit, die dem Essen als individuelles Erlebnis, durch Riechen, Schmecken, Kauen, Lutschen und Schlürfen in unserer Gesellschaft gewidmet wird. Adrià und Co. zwingen mit ihren Degustationsmenüs jeden Gast zu einem Höchstmaß an Aufmerksamkeit. Das ist ihre wahre große Leistung.