Fichtners Scherbengericht auf Spiegel Online

Als ich am letzten Wochenende den Beitrag Ullrich Fichtners auf Spiegel Online zum Thema Kulinarische Blogs gelesen hatte, nahm ich mir fest vor, darüber kein Wort zu verlieren, weil ich den Beitrag nicht wichtiger machen wollte als er ist. Aber wie so viele meiner festen Vorsätze hielt auch dieser nicht lange, da ich mal wieder nach wenigen Tagen feststellen musste, dass meine Entspanntheit unter dem Vorsatz leidet. Also verliere ich doch ein paar Worte.
Wenn ich nicht irre, schreibt Ullrich Fichtner seit gut einem Jahr auf Spiegel Online über kulinarische Themen. Einige Beiträge sind mir sehr positiv in Erinnerung geblieben, wie sein Text Wider den Gaumen-Stalinismus. Oder der Beitrag Krisenherde über hochgerüstete Männerküchen. Warum aber schießt der Kerl nun gegen kulinarische Blogs, noch dazu, wo er sich aus deren Fundus thematisch gerne bedient? Das ist „der älteste Trick.“, schreibt JB in seinem Kommentar auf eigenarbeit, „Wie bekomme ich Aufmerksamkeit bei Bloggern, die mich sonst vielleicht ignorieren, weil meine Leser eher ältere Menschen sind? (fast die Hälfte der Spiegel-Leser sind über 50 – eigene Aussage auf http://www.media.spiegel.de).“
Wenn das der Trick war, hat er funktioniert. In der Blogosphäre wird über Fichtners Scherbengericht diskutiert (zum Beispiel hier, hier und hier), der möglicherweise mit der Macht eines starken Verlages unliebsame Schreibkonkurrenz aus dem Feld schlagen will. Zugegeben, das ist etwas verschwörungstheoretisch formuliert. Aber viele Verlage und Journalisten sehen die wachsende Macht des Web 2.0 nun mal mit Sorge, weil sie um ihre Pfründe fürchten, um Besucherzahlen, die ihnen im Web Geld einbringen. Und um exklusive, spannende neue Nachrichten. Wenn blogs diese früher liefern, werden sie häufiger angesteuert. Und immer öfter haben blogs Nachrichten viel früher am Start als Onlinemagazine wie Spiegel oder Focus. Statt nun aber Lösungen zu finden, mit dem Web 2.0 zu kooperieren, oder gar Teil von ihm zu werden, opfert Fichtner, vielleicht sogar ohne es zu ahnen, den Stellenwert und die Akzeptanz seiner Kolumne für eine kurzzeitige Aufmerksamkeit durch Herabwürdigung der kulinarischen Blogosphäre, woran auch der Umstand nichts ändert, dass er ein paar Blogs von seiner Kritik ausnimmt. Blogger haben aber ein Elefantengedächtnis, wenn es ums Dissen geht. Und sie werden demnächst genauer hingucken, wenn Fichtner mal wieder ein Thema macht, deren Inhalte er aus den weblogs holt, ohne dabei für die nötigen Verlinkungen zu sorgen. Wenn er nicht weiß, wie das mit den Verlinkungen richtig geht, braucht er das einfach nur mal bei seinem Kollegen Konrad Lischka abgucken. Okay, das war jetzt vielleicht etwas gemein.
Inhaltlich beschreibt Fichtner in seinem Beitrag jedenfalls ein Phänomen, das kennzeichnend ist für das Web 2.0. Es geht um Beiträge von Menschen, die Ihren „Senf“, wie er es nennt, zu allem dazugeben, auch zu kulinarischen Dingen. Er hält das für verzichtbar. Frei nach dem Motto: Wo die Würstchen regieren, wird der Senf verboten. Fichtner produziert aber einen geradezu amüsanten Widerspruch. Wenn dieser Senf wirklich so unwichtig ist, warum schafft er (der Senf) es dann in einen Beitrag auf Spiegel Online? Und warum breitet er (der Fichtner) dann jedes Körnchen dieses unwichtigen Senfs sogar noch aus? Wie auch immer, ich mag Fichtner’s Senf ganz gerne, meistens. Nur hier ausnahmsweise überhaupt nicht.

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