Das Ende vom Anfang der Molekularen Gastronomie

Ein lesenswerter Beitrag von Lisa Abend im Magazin Slate beschäftigt derzeit die Anhänger molekular inspirierter Avantgardeküche. Lisa fragt provokant, ob Freunde des von Ferran Adrià maßgeblich geprägten Kochstils, diesen nicht schon leid sein könnten. Sie datiert die Anfänge von Adriàs Revolution allerdings auf Ende der 80er Jahre zurück, und das, so finde ich, ist viel zu weit ausgeholt. Aber mit diesem kleinen Trick, einfach den Zeitraum zu verlängern, erscheint Lisas Fragestellung natürlich viel einleuchtender. Arzak war schon etwas früher dran, dessen Stil erschien allerdings weniger abgedreht und zugespitzt. Tatsächlich begann Adrià erst 1993 etwas ernsthafter mit der Ausarbeitung seines Stils, was später in seinen Büchern auch entsprechend dokumentiert wurde. Erst ein Jahr zuvor, 1992, gab es in Erice den von Hervé This und Nicholas Kurti initiierten, ersten INTERNATIONAL WORKSHOP ON MOLECULAR AND PHYSICAL GASTRONOMY. Adrià, so sagt er selbst, begann erst 2003 damit, intensiv mit Naturwissenschaftlern zusammenzuarbeiten. Insofern stehen wir also erst am Anfang einer Entwicklung. Die gewohnt kluge und differenzierte Entgegnung von eigenarbeit zeigt auf, an welchen Punkten in Lisas Beitrag Widerspruch anzumelden ist. Besonders den Aspekt der Historisierung finde ich spannend. Zugegeben, Lisas Argument, einer Küche den Avantgardeanspruch streitig zu machen, weil die historische Aufarbeitung dieser Art zu kochen bereits eingesetzt hat, wirkt verlockend überzeugend, aber die Antwort von eigenarbeit ist wirklich schlüsssig, denn natürlich historisiert sich eine Avantgardeküche zwecks Selbstdarstellung zumeist selbst. Das beste Beispiel für diese These liefern, finde ich, Adriàs Jahrbücher.
In unserem Ende Mai erscheinenden Buch Verwegen kochen, tragen Heiko Antoniewicz und ich in gewissem Sinne auch zur Historisierung der molekular inspirierten Avantgardeküche bei. Anders herum soll es auch Aufklärungsarbeit leisten, denn diese neue Art zu kochen, wird unserer Meinung nach immer noch nicht richtig verstanden. Sie wird meistens nur apostrophiert. Als Technoküche, Laborküche oder sonst was. Dabei geht es in noch nie da gewesener Weise um Sinnlichkeit. Aber lest selbst … .

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