Als ich vorgestern den stern aus dem Briefkasten zog und auf der Treppe zu meiner Wohnung das Inhaltsverzeichnis durchblätterte, blieb mein Blick im Ressort Deutschland hängen, wo eine Story über dubiose Methoden des Weinraritätensammlers Hardy Rodenstock angekündigt wird. Ja, das ist der Mann, der seit zweieinhalb Jahrzehnten für Aufsehen sorgt, weil er immer wieder Flaschen am Start hat, die so außergewöhnlich sind, dass es jeden Weinliebhaber von Stuhl reißt. Große Zweifel an der Echtheit der Weine wurden öfter mal laut, besonders aber weckten jene raren Flaschen Misstrauen, die das Kürzel des dritten amerikanischen Präsidenten Thomas Jefferson zierten und angeblich aus dessen Besitz stammten. Für einen 1787er Chateau Lafitte (in der heutigen Schreibweise Lafite), den Rodenstock verkaufte, legte ein Sammler 105.000 britische Pfund hin. Der klagt nun schon seit Jahren vor amerikanischen Gerichten, dass ihm da Fälschungen untergejubelt worden seien. Heikel ist vor allem die Frage, ob das Schriftzugkürzel von Thomas Jefferson echt ist. Über den Wein ist damit noch nichts gesagt.
Im Gegensatz zum geschätzten Kollegen Mario Scheuermann, der von einer Rufmordkampagne spricht, hat mich der stern-Beitrag positiv beeindruckt, weil die Autoren durch hartnäckige Recherche einige Dinge zutage gefördert haben, die eine grundsolide Skepsis gegenüber den Geschäftspraktiken von Hardy Rodenstock durchaus rechtfertigen.
Unabhängig von einigen anderen einleuchtenden Argumenten, finde ich zwei Punkte besonders bedenkenswert: Es scheint tatsächlich so zu sein, dass Hardy Rodenstock in größerem Umfang Etiketten rarer Weinflaschen hat nachdrucken lassen, die auf altem, vergilbten Papier gedruckt wurden. Das ist – meiner Ansicht nach – in höchstem Maße erklärungsbedürftig, zumal die Originaletiketten über das Weingut durchaus beschaffbar gewesen sein dürften. Aber dafür hätten die Weine dort vorgestellt werden müssen. Falls die Chateaus die Etiketten nicht mehr vorrätig gehabt haben, sollte sich ja klären lassen, ob in den jeweiligen Einzelfällen von Rodenstock zumindest angefragt worden ist. Dass zumindest in einem Fall ein nachgedrucktes Etikett auf eine Flasche geklebt wurde, dafür gibt es, nach Angaben des stern, offenbar auch Beweise.
Außerdem wird vom Generaldirektor des Chateau Mouton-Rothschild, Hervé Beland, das Etikett einer 1945er Flasche im Jéroboam-Format als „mit bloßem Auge erkennbar falsch” bezeichnet. Wie aber kommt das Etikett auf eine von Rodenstock in Umlauf gebrachte Flasche? Auch das halte ich für unbedingt erklärungsbedürftig.
Bin gespannt, welchen Fortgang die Geschichte nimmt.