
Moderne Bahnhöfe haben teure Toiletten, aber sie haben auch Supermärkte, die bis in die Nacht, ja sogar an Sonntagen aufgesperrt haben. Im Essener Bahnhof ist neuerdings ein LIDL verortet, wo derzeit auf großen Werbeflächen für LIDL – Genuss mit Stern geworben wird. Was das wohl für ein Genuss ist, wollte ich wissen und nahm eines dieser Rezeptheftchen aus dem Aufsteller mit, von deren Titelseite mit verschränkten Armen Mario Kotaska (La Societe in Köln, TV: Die Kochprofis), Kolja Kleeberg (Restaurant VAU in Berlin, TV: Lanz kocht) sowie Dieter Müller (Schloß Lerbach, Bergisch-Gladbach) herablächeln. Die Aktion gibt’s wohl schon ein Weilchen länger. War mir aber entgangen. Kann man mal sehen, wie lange ich schon nicht mehr bei LIDL vorbeigekommen bin.
Jedes Rezept im Heft wird mit Produkten aus dem LIDL-Sortiment unterfüttert. Bei Müller sind es Grafschafter Toastbrotscheiben, Milbona Goudascheiben, Dulano Landschinken und Vitas D’Or Rapsöl. Kleeberg baut die Vollmilch und den Tilsiterscheibenkäse von Milbona ein. Kotaska unter anderem die Nusscreme choco nussa, das Zimtpulver von Kania und das bereits von Müller präferierte Grafschafter Toastbrot.
Ach ja, ein paar Kochtalente werden auch gesucht, steht irgendwo in dem Heftchen. Hobbyköche, die mit ihren Rezeptideen überzeugen, können einen Hammereinkaufsgutschein von LIDL im Wert von 50 Euro gewinnen.
Ich find’s super, dass es LIDL tatsächlich gelungen ist, drei Spitzenköche an Land zu ziehen, die Scheibenkäse promoten. Da hat der Discounter richtig gut investiert. Und das schreibe ich ohne jede Ironie. Dem Image des Unternehmens wird die Aktion ganz sicher nicht schaden. Nach der Spitzelaffäre kann es ohnehin nur besser werden. Ach so, was mit dem Image der Sterneköche ist, wollt ihr viel lieber wissen? Na ja, in dem Zusammenhang fällt mir nur ein Zitat von Prof. Dr. Quadbeck-Seeger ein, das ich mal irgendwo gelesen habe: Das Gegenteil von Vorbild ist Image. Aber wenn das Gegenteil von Vorbild tatsächlich Image ist, kann’s den Sterneköchen ja eigentlich piepschnurzegal sein.
Genau.
Besonders peinlich wird es, wenn Herr Baudrexel bei den k.ochprofis zuerst die Maria-Hilf-Büchsen der zu rettenden gastronomischen Betriebe in den Müll entsorgt und dann unter „mmmh“-gegrunze kalorienreduziertes Ersatzbratfett im TV bewirbt.
Da lobe ich mir Horst Lichter, der gibt zu, dass er es „wejen dem Jeld“ macht:
http://fressack.wordpress.com/2008/10/21/die-tute-der-koch-der-spass-und-die-ehre/
Ich bin gespannt, wann es die letzten Aufrichtigen packt.
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Gutmenschentum die Köche bewegt, als Testimonials für einen Discounter an den Start zu gehen, damit die Leute von den Fertigprodukten wegkommen. Die wollen Kohle verdienen. Und das ist auch vollkommen in Ordnung. Nur müssen sie es dann eben aushalten, dass ihre Credibility möglicherweise in Mitleidenschaft gezogen wird. Ich war bei Dieter Müller oft und bei Kolja Kleeberg zweimal essen. Es war richtig gut. Ihre fachlichen Qualitäten in Frage zu stellen, käme mir da auch überhaupt nicht in den Sinn. Aber es passt nun mal nicht zusammen, als Sternekoch einerseits immer wieder die Wichtigkeit der Produktwertigkeit der verwendeten Zutaten herauszustellen und dann so zu tun, als könne man mit Billigartikeln Sternegenuss herbeizaubern.
kompottsurfer
Seit wann ist Lidl ein Spitzenrestaurant?
Es geht hier um den Endverbraucher.Und ich glaube jeder 3. der diesen Blog liest hat im Kühlschrank geschnittene Wurst oder Käse aus dem Supermarkt. Leider kann sich heute nicht jeder in Deutschland Bio und Käse ab Hof leisten. Seien wir doch froh, dass sich die drei auch an Menschen wenden, die sich nicht den Feinkostladen leisten können. Im gegenteil versuchen sie wenigstens die Leute von Fertigprodukten weg zu kommen. Ich finde da darf man keine falsche Arroganz an den Tag legen.
Aber Sie haben Ihre Meinung, ich die Meine
Na, na, halten Sie mal den Ball flach. Ich fände es jedenfalls spannend mitanzusehen, wie Gäste in einem Spitzenrestaurant darauf reagierten, wenn der Käsewagen hineingeschoben wird und darauf läge hübsch in Schutzatmosphäre verpackter Scheibenkäse herum. Und dann müsste man mal den Rach vorbeischicken ;-).
Was genau Analogkäse ist, hat der Kompottsurfer vor längerer Zeit mal ausführlich dargestellt – inklusive Rezeptur. Siehe unter:
http://blog.rewirpower.de/index.php/2009/04/21/falscher-mozzarella-eine-digitale-meldung-vom-analogen-kase/
kompottsurfer
Ihnen ist aber schon klar, dass Scheibenkäse nur in Scheiben geschnittener Käse ist (Ach, Sie haben vergessen, das Toast ist auch schon in Scheiben). Analogkäse oder Scheibletten sind etwas anderes! Aber so ist das halt, wenn man von kochen keine Ahnung hat und sich wichtig tuen möchte. Sie kaufen beim Metzger bestimmt auch beim Metzger nur ganze Würste, damit sie nicht in bösen „SCheiben“ sind, oder. Weiter so…