Glutamatmangel: Warum fangfrischer Fisch nicht optimal schmeckt

Nahezu jeder, der eine Beziehung zum guten Essen hat, schwärmt von irgendeinem initialen Erlebnis, das er mit dem Verzehr von fangfrischem Fisch hatte. Zumindest so Binnenlandfuzzies wie ich einer bin. Mich musste es dafür vor Urzeiten mal nach Portugal verschlagen, wo ich in einer touristisch eher unbevölkerten Bucht an der Algarve in einem Strandlokal saß, als zwei Fischer anlandeten und dem Koch ihren Fang präsentierten, der dann einige Goldbrassen auswählte. Er nahm die Fische aus und legte sie auf den Grill. Dazu gab es Salzkartoffeln und irgendein grob gewürfeltes Gemüse, ganz unspektakulär, und so genau weiß ich das auch gar nicht mehr. Aber der Fisch ist mir in sehr guter Erinnerung geblieben, er schmeckte wirklich vorzüglich, selbst wenn ich mal den psychologisch nicht zu unterschätzenden Urlaubswohlfühlbonus abziehe.
Um so erstaunter war ich nun, als ich von der japanischen Biologin Kumiko Ninomiya las, die behauptet, Fisch sei einen Tag nach dem Fang schmackhafter, als wenn er sofort gegessen wird. Sie begründet das allerdings recht einleuchtend mit dem Argument, dass bei der Reifung Glutamat (als Teil der Glutaminsäure) entsteht, die am fünften Grundgeschmack des Menschen, Umami, andockt, was gemeinhin als so genannter Wohlgeschmack bezeichnet wird. Im Video unten erklärt Ninomiya auch, warum wir Menschen so auf Glutamat abfahren: Weil es ein elementarer Bestandteil der Muttermilch ist. Kuhmilch enthält dagegen nur einen sehr geringen Anteil Glutamat.
Das Funktionsprinzip ist durchaus nicht neu. Ein wahrer Glutamatbomber ist zum Beispiel der berühmte Iberico-Schinken, dessen Glutamatmenge sich allein durch die lange Reifung beim Abhängen um das Fünfzigfache vermehrt. Ähnlich verhält es sich bei der Reifung verschiedener Käsesorten, die ihren besonderen Geschmack dem Glutamat zu verdanken haben. Der kompottsurfer berichtete bereits vor Jahren mal über den Grund für Geschmacksunterschiede bei Tomaten. Auch hier spielt Glutamat eine Rolle, das im Reifungsprozess entsteht und im gallertigen Kerngehäuse verortet ist. Je höher der Anteil des Kerngehäuses einer Tomate, umso geschmackvoller kann sie reifen.
Das alles hat nur wenig mit Natriumglutamat als Lebensmittel-Zusatzstoff zu tun, obwohl es auch die gleichen Geschmacksknospen bedient. Über dessen Tücken werde ich baldmöglichst mal ausführlicher posten.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner