Ich sitze gerade vor dem Fernseher und sehe mir in der ARD Beckmann an, nachdem ich durch die Story über „Heuchelnde Fernsehköche“ im aktuellen stern schon vorgeglüht bin. Das stern-Thema hatte der kompottsurfer ja auch schon ein paar mal (z.B. hier) aufgegriffen und dafür reichlich auf die Birne gekriegt. Aber meine Bio-Birne kann das ab. Und die Birnen der Kollegen vom stern sowieso.
Nun sitzen im Studio bei Beckmann die Unvermeidlichen bei solchen Ernährungsinformationsthemen: Thilo Bode (foodwatch), Ilse Aigner (Bundesverbraucherministerin) und Tim Mälzer. Ich bin ja immer dankbar für Mälzer, weil der nicht so dogmatisch daherkommt. Was mich an diesen Ernährungsthemen in den Medien aber meistens stört ist diese Fokussierung auf die Lebensmittelindustrie. Die natürlich prinzipiell böse ist und die Menschen mindestens täuschen, schlimmstenfalls fahrlässig vergiften. Die Killerbergriffe sind immer die gleichen: Glutamat, Formschinken, Käse-Imitat, Kalorienangaben, Zusatzstoffe. Lust am Essen? Fehlanzeige. Niemand will verarscht werden, logisch. Aber Werbung ist nun mal Werbung. Warum soll ein Pizzamix, der wie Käse aussieht, wie in der Sendung gefordert, Käse-Imitat heißen? Heißt Margarine etwa Butter-Imitat? Oder Tofu Fleisch-Imitat? Eben.
Formschinken ist nur dann ein Problem, wenn er als höherwertiges einheitliches Fleischstück verkauft wird, zum Beispiel als Rinderfilet. Und Kalorienangaben und Zusatzstoffe? Guckt der Verbraucher da wirklich hin?
Dazu gibt es eine aufschlussreiche Studie. Laut Selbsteinschätzung der Konsumenten, so steht es in einer vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Jahr 2008 herausgebrachten Untersuchung, achten sie beim Einkauf sehr wohl auf Nährwertangaben. Zwischen 50% und 60% der Befragten gaben an, zumindest gelegentlich beim Einkauf auf den Fettgehalt, den Zuckergehalt bzw. den Kaloriengehalt zu achten. In einer aktuellen Pan-Europäischen Studie wurden die Konsumenten beim Einkauf beobachtet und anschließend befragt. Der Anteil derer, die tatsächlich Nährwertangaben verwendeten, betrug aber lediglich knapp 17%.
Es sind die Verbraucher, die mit ihrem Billiganspruch und der hohen Nachfrage von Fertignahrung den Erfindungsreichtum der Industrie befeuern. Diese Cuvée aus Billiganspruch und Fix-und-Fertig-Nachfrage ist das wahre Ernährungsproblem in Deutschland. Gewürzt mit einer kräftigen Prise Bewegungsarmut kommt dann auch Adipositas zur verstärkten Ausbreitung.
Gleich noch mal im WDR-Fernsehen die Story zu Food-Design anschauen. Bin gespannt.