
Zum Ende der gestrigen Sendung Ernährungs-Check versuchte Tim Mälzer zu retten, was nicht mehr zu retten war: „Ich möchte jetzt nicht jedem Menschen Tür und Tor öffnen, der sich ausschließlich von Mist ernährt. Wer nach dieser Dokumentation rausgeht und sagt, ‚ich kann mir jeden Dreck reinziehen, den ich möchte‘, der hat die Dokumentation falsch verstanden.“ Keine Frage, der von mir sehr geschätzte Tim Mälzer hat den Satz nur aus einem Grund gesagt: Weil er selber die Befürchtung gehabt haben muss, dass am Ende der Sendung eine ganz andere Botschaft beim Zuschauer hängen bleibt: Ihr könnt euch jeden Dreck reinziehen, den ihr wollt, Haupsache eine begrenzte Kalorienzufuhr wird eingehalten.
Die Komplexität ernährungsphysiologischer Zusammenhänge wurde schon beim völlig realitätsfremden Versuchsaufbau außer Acht gelassen, bei dem 45 junge männliche Teilnehmer in drei Testgruppen entweder Fastfood, deutsche Hausmannskost oder Mediterranes vorgesetzt bekamen. Allein die Kilokalorienzufuhr sollte gleich bleiben: 2.500 pro Tag. Schon als ich diese Mengenbegrenzung hörte, musste ich in die Tischkante beißen, angesichts des Vorhabens, unter anderem feststellen zu wollen, ob eine der Gruppen am Ende an Gewicht zulegt. Ein 25-jähriger Mann, 184 cm groß und 79 Kilogramm schwer hat schon einen Grundumsatz von knapp 2.000 kcal am Tag, das heißt einen Basisverbrauch, der noch keinerlei Betätigung, nicht einmal Schreibtischarbeit einkalkuliert. Wer dann den Tag über nur sitzt oder liegt, kommt schon auf knapp 2.500 kcal. Der Gang zur Straßenbahn, eine kleine Runde Joggen – alles das würde eine Kalorienbedarfsmenge ergeben, die weit über 2.500 kcal hinausgeht. Ich würde gerne wissen, wie viele der Probanden aus purem Hunger zuhause heimlich nachgelegt haben bei Essen und Getränken. Eine Kontrolle gab’s da ja nicht.
Auch der Studienzeitraum von vier Wochen war ein Witz. Folgen von Fehlernährung dürften kaum in einem Monat aufzuspüren sein, genau deshalb sind ja seriösere Untersuchungen wie die EPIC-Studie auf lange Zeiträume ausgelegt.
Beim Blick auf die Cholesterinspiegel der Probanden wurde die Blickrichtung auf die zugeführten Fette in der Nahrung gelegt, aber völlig außer Acht gelassen, dass – neben anderen Faktoren wie genetischer Disposition – nicht zuletzt die zugeführten Kohlenhydrate Einfluss auf den Cholesterinspiegel nehmen.
Da, wo in der Sendung Untersuchungsergebnisse auf Probleme hinwiesen, wie beim erschreckend geringen Vitamin-C-Anteil in Mälzers Fastfood-Zubereitungen (die – ganz nebenbei erwähnt – in der Qualität wahrscheinlich besser sind als die Angebote in irgendeiner Burgerbude), wird mit dem lapidaren Hinweis gegengesteuert, mit einem Glas Orangensaft könne das ja wieder ausgeglichen werden. Aber ging’s in der Sendung nicht auch genau darum, zu sehen, was passiert, wenn man sich eben nicht vitaminreich ernährt?
Tim Mälzer muss ich anrechnen, dass seine Skepsis an den Untersuchungsergebnissen bis zum Ende spürbar blieb. Und das war auch gut so.