Teller des Schreckens: Neunjährige Schottin bloggt über ihr Schulessen.

Ein Beitrag in der Holzausgabe des aktuellen stern machte mich neugierig auf das, was die neunjährige Schülerin Martha Payne aus Schottland Tag für Tag über ihr Schulessen bloggt. Mindestens so eindrucksvoll wie ihre Beschreibungen in ihrem Blog auf NeverSeconds sind ihre dokumentarischen Fotos. Der kompottsurfer weiß, dass Schulessen auch in Deutschland kaum besser aussieht – und schmeckt. An der Schule meines Sohnes zum Beispiel werden die Kinder und Jugendlichen mit dem Kantinenfraß – anders kann man es leider nicht bezeichnen – einer Behörde abgespeist, der in unvertretbaren Maß aus Pommes, Mayonnaise, Wurst und Schnitzel besteht.
Jamie Oliver engagiert sich schon seit vielen Jahren für besseres Schulessen, nicht nur in Großbritannien. Er wird auch nicht müde, seine Botschaft in die Welt zu tragen, wie ein Vortrag in den USA (s. unten) verdeutlicht. Der kompottsurfer kann über die allgemeine Ernährungslage in den USA keine Einschätzung aus erster Hand treffen, für Deutschland aber sehr wohl. Und hier bleibt – allen erfolgreichen Kochsendungen im Fernsehen zum Trotz – der Qualitätsanspruch ans Essen weiterhin bescheiden. Entscheidend ist nach wie vor der Preis.
In Deutschland, so erläuterte es mir einmal Frau Dr. Monika Hartmann, Professorin für Marktforschung der Agrar- und Ernährungswirtschaft am Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik der Rheinischen Friedrichs-Wilhelms-Universität Bonn, reagieren die Verbraucher besonders sensibel auf Preisveränderungen bei Lebensmitteln. Entsprechend logisch ist der Preiskampf, den sich die Discounter bei Preisen für Milch, Butter, vor allem aber Fleisch liefern. Obwohl dieser Preiskampf im Grunde nur eines dokumentiert: den Irrweg, den Verbraucher in Tateinheit mit Erzeugern, Industrie und Handel beschritten haben.
Aber zurück zum Schulessen. Frau Prof. Hartmann bestätigte mir, dass es eine inverse Relation von Ernährungswissen und Ernährungsweise von Kindern und Jugendlichen zum Bildungsstand der Eltern gibt. Die Erkenntnis ist schon seit einiger Zeit Gewissheit. Nur passieren tut fast nichts. Ein Ansatzpunkt, gerade Kinder und Jugendliche aus bildungsfernen Familien zu fördern, und das nicht nur in Hinblick auf eine Verbesserung des Ernährungswissens, wären Ganztagsschulen, sagt Hartmann. Sie böten die Möglichkeit, auch jungen Menschen, bei denen frisches Obst, Salat und Gemüse zuhause nicht oder selten auf dem Speiseplan stehen mit diesen Produkten vertraut zu machen. So weit die Theorie. Nur wenn das Essen dann so aussieht wie bei Martha, dann ist es am Ende natürlich völlig egal, wo es die Schüler in sich reinschaufeln. Was es braucht, ist ein Pflichtfach Ernährung und Kochen in der Schule, findet der kompottsurfer. Unabhängig davon, welche berufliche Richtung die Schülerinnen und Schüler später einschlagen, könnte kein anderes Fach für das spätere Leben eine so hohe praktische Relevanz vorweisen wie das Kochen. An diesem Punkt sollte angesetzt werden.
Ach ja: Die EU hat 2009 ein internationales Schulobstprogramm aufgelegt, das im März 2010 hierzulande gestartet wurde und in NRW vom Lehrstuhl von Frau Prof. Hartmann begleitet wird. Fazit nach zwei Jahren Laufzeit: NRW hatte sich seinerzeit bewusst dazu entschieden, den Erfolg des EU-Schulobstprogramms nicht an der Gewichtsentwicklung der beteiligten Kinder und Jugendlichen zu messen sondern anhand einer Umfrage. „Bei weit über 100 identifizierten Einflussfaktoren auf die Entwicklung von Übergewicht sei ein Nachweis der Einflussnahme auf die Gewichtsentwicklung durch Schulobst nicht zu erbringen“, heißt es zur Begründung, die durchaus plausibel erscheint, aber letztendlich mit Vorsicht zu genießen ist, eben weil die Aktion lediglich auf ihre marketingtechnische Wirkung untersucht wurde und nicht auf ihre tatsächliche gesundheitliche, die ja weit mehr umfasst als nur die Entwicklung des Körpergewichts. Immerhin, es wäre ein guter Anfang, wenn in den Köpfen tatsächlich schon etwas passiert ist. Sogar ein wichtiger.

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