Gault Millau geißelt geheuchelte Regionalität

Wie immer deftig in der Ansprache, geht der heute vorgestellte Gault Millau Guide Deutschland 2013 die Arbeit in vielen Spitzenküchen an. Und das, obwohl der einstige Zuchtmeister der deutschen Top-Gastronomie, Manfred Kohnke, gar nicht mehr Chef des Hauses ist. Aber bei seiner Nachfolgerin, Patricia Böhm, klingt die Kritik kaum weniger scharf: „Regionalität gilt zwar als Mega-Trend, aber die Köche, die sich dem Thema wirklich mit viel eigenem Engagement widmen, bilden eine kleine Minderheit. Allzu oft bleibt es beim Lippenbekenntnis zur Heimat. Man setzt ein, zwei regionale Alibi-Produkte auf die Karte und ordert per Telefon bei geschäftstüchtigen Großhändlern, die allen Köchen die gleichen ‚Neuheiten‘ andrehen. Das Ergebnis: Von Sylt bis Garmisch bekommt der Gast austauschbare Produkte und uniforme Geschmackserlebnisse.“ Auch scheinen die Müncher mit der Zugabe von Kraut und Gemüse zum Dessert ihre Probleme zu haben. Und begründen es so: „Wenn das Hirn bereits deutliche Sättigungssignale sendet und der Gaumen durch das Wechselspiel unterschiedlicher Aromen ermattet ist, hat nur eine Geschmacksrichtung noch eine echte Chance, weil sie ganz anders ist: das Süße.“
Das klingt laut, aber aus Sicht des kompottsurfers nicht gerade modern. Denn die kulinarische Revolution, die mit Beginn dieses Jahrtausends durchbrach, setzt doch gerade darauf, dass die klassische Struktur der Gerichte zerstört wird, und sich eine Symbiose aus der Welt des Süßen und der Welt des Salzigen bei Vor- und Nachspeisen entwickeln kann.
Und was gibt es sonst noch bei den Bewertungen? Sven Elverfeld aus dem Wolfsburger Aqua wird von der Höchstnote von 19,5 Punkten – die jetzt noch vier Köche innehaben – auf 19 Punkte herabgestuft, weil seine Gerichte „mehr auf den Wow-Effekt als auf die langanhaltende Genussbefriedigung ausgerichtet sind“.
Natürlich ist für den kompottsurfer das Ruhrgebiet ganz besonders interessant. Frank Rosin vom „Rosin“ in Dorsten scheint jetzt die Liste im GM anzuführen, da die Résidence (Essen-Kettwig) in meiner Übersicht bis zu den Restaurant mit 17 Punkten (und drei Kochmützen) nicht genannt ist. Das aber mit Vorbehalt. Eine Toque aufgesetzt und mit 13 Punkte ausgezeichnet wurden erstmals „Ulrichs Schifferbörse“ in Duisburg und das „Namaste“ in Essen.
Soweit erst einmal.

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