Vor wenigen Tagen erschien der Michelin Guide 2013. Anlass genug, dem Chef der deutschen Ausgabe, Ralf Flinkenflügel, ein paar Fragen zu stellen.
Herr Flinkenflügel, Jahr für Jahr adelt der Guide Michelin neue Restaurants mit einem Stern. Welches Haus hat Sie bei den Tests für den neuen Guide besonders positiv überrascht? Vielleicht eins, das Sie vor einem Jahr noch gar nicht richtig auf dem Zettel hatten?
Da fällt mir spontan der Aufstieg von Dirk Hoberg vom Restaurant Ophelia in Konstanz ein. Er hat ja erst im letzten Jahr den ersten Stern bekommen und nun in der neuen Ausgabe direkt den zweiten. Das ist schon eine außergewöhnliche Leistung. Und es zeigt, dass er ein junger Mann ist, der über viel Talent und Können verfügt.
Als faustdicke Überraschung dürfte der dritte Stern für das Lübecker Belle Epoque mit Kevin Fehling am Herd gesehen werden. Er wurde 2012 ja nicht explizit als Hoffnungsträger für den dritten Stern genannt. Wie kam es dazu? Und nicht zuletzt zu dem enormen Zuwachs an 2-Sterne-Häusern. Sieben Neue, bei drei in 2012 genannten Hoffnungsträgern, von denen zwei den Sprung tatsächlich schafften. Geht die Entwicklung in der Spitzenküche inzwischen so rasant zu?
Die Entwicklung der Küche von Kevin Fehling ist wirklich rasant und bemerkenswert. Wir waren selber ein wenig überrascht, dass sich das Niveau in der kurzen Zeit so extrem gesteigert hat. Unsere Ergebnisse waren eindeutig und einstimmig, so dass wir ohne den geringsten Zweifel gerne den 3. Stern vergeben haben. Der Anstieg der Zwei-Sterne-Häuser ist in der Tat auffällig. Die Anzahl hat sich im Vergleich zu 2010 von 18 auf 36 verdoppelt, ohne dass wir unsere Kriterien verändert haben. Das zeigt aber einfach nur, dass sich die Qualität und die Klasse der zumeist jungen Köche in den letzten Jahren sehr erfreulich entwickelt hat. Ich stimme Ihnen also zu, die deutsche Spitzenküche hat in den letzten Jahren enorm an Fahrt aufgenommen.
Wie viele Restaurants haben innerhalb des letzten Jahres den Sprung vom Bib Gourmand zum Michelinstern geschafft?
Dieses Jahr hat es das Restaurant Lamm Rosswag in Vaihingen an der Enz geschafft.
Sie tauschen sich ja auch mit dem Kollegen aus den anderen Ländern aus. Wo sehen Sie Deutschland im Vergleich zu den Spitzenküchen Japans, Frankreichs und Spanien, sowohl qualitativ wie auch stilistisch?
Wir tauschen uns zwar aus, aber ich bin mit der Gastronomie in diesen Ländern nicht so im Detail vertraut, um da einen zuverlässigen Vergleich anzustellen. Eins ist aber ganz klar: International hat sich noch nicht ausreichend herumgesprochen, dass es in Deutschland eine ganz hervorragende Spitzenküche gibt. Sie bekommt im Ausland längst noch nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdient.
Warum kann Frankreich immer noch weit mehr als doppelt so viele Sternerestaurants aufbieten als Deutschland? Wird da von den Menschen mehr nach Spitzenküche verlangt, oder ist die Küche dort in der Breite immer noch um so vieles besser als in Deutschland?
In Frankreich hat das Essen schon seit Jahrhunderten einen ganz besonderen Stellenwert. Ich denke, das ist uns allen bewusst und das wird sich so schnell auch nicht ändern. Deutschland hat aber in den letzten Jahren nicht nur an der Spitze, sondern auch in der Breite immens aufgeholt. Ich möchte nicht sagen, dass die französische Küche besser ist als die deutsche, sondern dass die Nachfrage in Frankreich nach guter Küche größer ist und es aus dem Grund dort einfach mehr gute Restaurants gibt.
Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass auch beim Besuch von sehr vielen Restaurants in einem Jahr irgendetwas besonderes hängenbleibt. Was war das im vergangenen Jahr bei Ihnen?
Das Menü bei Kevin Fehling!
Herr Flinkenflügel, ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch.