Landauf, landab zermartern sich kulinarisch ambitionierte Hobbyköchinnen und -köche derzeit wieder das Hirn, welches Essen sie ihren Weihnachtsgästen auftischen sollen. Lieber das Traditionelle, das ewig Gleiche, oder statt dessen neue, aufregende Gerichte, die schon bei der Beschaffung der Zutaten herausfordernd sind und Abwechslung ins Kochgeschehen bringen?
Gestern las ich Das Geheimnis des Geschmacks an, ein sehr erhellendes Buch von Thomas Hauer, das mir ein Freund vor ein paar Monaten zum Geburtstag schenkte. Schon auf den ersten Seiten stieß ich auf eine plausible Erklärung für das verbreitete Verhaltensphänomen, das so viele Konsumenten zu Mc Donalds oder Burger King treibt, hin zu den immer gleichen Geschmackseindrücken.
Bisher erklärte sich der kompottsurfer den Erfolg der Burgerketten als einen wirkungsvollen Cocktail, zusammengesetzt aus Aspekten wie flexibilisierten Arbeitszeiten, der Abkehr vom Familienessen, verloren gegangenen handwerklichen Fähigkeiten, verkümmerter Esskultur und geschicktem Marketing. Und vergass dabei einen ganz grundsätzlichen Punkt, den Hauer ins Zentrum menschlichen Essverhaltens stellt: Die Aufgabe unseres physiologischen Geschmackssinns, Gleiches von Ungleichem zu unterscheiden. Mit Konsumtendenz zum Gleichen, zum Vertrauten, zu dem, was uns nicht umbringt. Zumindest nicht sofort.
Hauer argumentiert überzeugend, Kochrezepte gäbe es wohl nur deshalb, weil es unser Streben sei, eine Speise stets möglichst ähnlich schmecken zu lassen. „Das ganze kulturelle System der Küche strebt im Grunde vor allem nach Geschmacksgleichheit und damit nach Identität – in doppeltem Wortsinne.“ Und das habe damit zu tun, dass der Geschmack die letzte prüfende Instanz für das sei, was wir in Form einer sinnlichen Aneignung in unseren Körper lassen: Essen und Trinken. Womit wir wieder beim bekannten Urverhalten des Menschen wären und seiner bekannten Ablehnung gegenüber unbekannten, schlimmstenfalls bitter schmeckenden Zubereitungen, weil sie im besten Fall leicht unverträglich, im schlimmsten hochgiftig sein können. Unbekanntes Essen erzeugt also Stress beim Konsumenten. Und was wollen wir an den Weihnachtsfeiertagen auf keinen Fall? Genau.
Zu den Festtagen geht es also um Weihnachtsidentität und Stressvermeidung. Und deshalb empfiehlt der kompottsurfer, die traditionellen Gerichte nur in Nuancen zu variieren. Auch das kann spannend sein.