Gastronomiekritiker Jürgen Dollase beim Kölner Treff zum Gespräch, und was den kompottsurfer daran neugierig machte

Es ist schon erstaunlich: Über Jahrzehnte wurde das Ruhrgebiet nur als kulinarische Diaspora wahrgenommen obwohl Deutschlands namhafteste Gastronomiekritiker genau aus dieser Region stammen. Passt irgendwie nicht zusammen. Oder doch erst recht, weil es hier so viel zu kritisieren gab? Wolfram Siebeck jedenfalls, bis in die 1990er Jahre meinungsführende Feder der Feinschmeckerszene und frankophil bis ins Mark, wurde in Duisburg geboren und wuchs dann in Bochum und Essen auf, bevor es ihn irgendwann über viele Stationen in den Breisgau verschlug, wo er bis heute lebt.
Ein ganz anderer Typ und als Kritiker weniger laut und polternd als Siebeck, dafür geradezu akribisch sezierend, ist Jürgen Dollase, der im neuen Jahrtausend als Kolumnist in der FAZ sozusagen das Erbe des Meinungsmachers Siebecks angetreten ist, obwohl er das Erbe vermutlich gar nicht haben will. Gleichwohl kann er auch mal rustikale Sätze raushauen wie „schlecht essen ist wie sich nicht richtig waschen.“ Sei’s drum, Jürgen Dollase stammt aus Castrop-Rauxel, und es war schon reichlich erstaunlich, als ich seinen Aufstieg zum Gastronomiekritiker erlebte. Nicht, weil er aus dem Ruhrgebiet stammt, natürlich nicht. Sondern weil ich mal als Jugendlicher ein Konzert mitorganisierte, bei dem Dollase mit seiner Band Wallenstein auftrat. Ich konnte ihn mir beim besten Willen nicht als Gastrnomiekritiker vorstellen. Aber was heißt das schon? Wenn ich so manchen meiner Jugendfreunde höre, konnte sich von denen auch keiner vorstellen, dass ich mich mal für Haute Cuisine interessieren und für außergewöhnliches Essen bis nach Spanien, Italien oder Frankreich reisen würde.
Nun war Jürgen Dollase vorgestern bei Bettina Böttinger im Kölner Treff zu sehen. „Der Wildeste in dieser Runde“, so Böttinger, gab ein paar Geschichten über seine Vergangenheit zum Besten, nicht zuletzt, weil auch Böttinger ihre Hausaufgaben gemacht hatte und zum Beispiel einen Auftritt seiner Band in Ilja Richters legendärer Samstagabendsendung „Disco“ erwähnte. Und dann war auch noch die charmante Lea Linster dabei, und der kompottsurfer weiß aus mehreren persönlichen Begegnungen, dass sie wirklich sehr charmant sein kann, nicht nur vor der Kamera. Aber seht selbst, was Dollase zum Beispiel zu unserer wachsenden Abhängigkeit von industriellen Geschmacksbildern und zur Folgenlosigkeit von Kochsendungen zu sagen hat. Und dann die steile These über die kulinarisch Unaufgeschlossenen, die er für nicht sonderlich nützlich für die „Entwicklung unserer Gesellschaft“ hält.

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