
Ein deutscher Discounter wirbt gerade mit einer großen Imagekampagne im Apple Style für sein Sortiment. Woran erkennen wir, was gut ist an Produkten wie Wein und Brot und Schokolade, wird der Verbraucher in den Werbespots gefragt, und natürlich wird die Antwort gleich mitgeliefert. Mal spielt der Geschmack eine Rolle, mal die Farbe, die Herstellung und der Preis. Der gute Preis.
Es ist eine der größten Tücken im deutschen Lebensmittelsektor, dass der Verbraucher hierzulande so enorm preisorientiert ist. Glaubt man Experten aus der Lebensmittel- wirtschaftsforschung, gibt es kaum einen anderen Industriestaat auf der Welt, in dem der Lebensmittelmarkt so hart umkämpft ist. Selbst der weltweit größte Handelskonzern Walmart hat es vor Jahren nicht geschafft, in Deutschland Fuß zu fassen. Und das soll was heißen.
Das Problem in Deutschland sind zum Einen die Verbraucher selbst, weil sie beim Essen mehr auf den Preis als auf die Qualität achten (anders als beim Auto). Außerdem haben wir es auf der Ebene der landwirtschaftlichen Erzeuger sowie im Verarbeitungssektor hierzulande hauptsächlich mit kleinen und mittelständischen Unternehmen zu tun, denen ein hochkonzentrierter Handel gegenübersteht. In Deutschland halten die fünf größten Unternehmen derzeit einen Marktanteil von rund 75 Prozent. Die veranlassen den Handel dazu, möglichst niedrigpreisig anzubieten. So schmelzen die Gewinnmargen, wodurch der Druck auf den Einzelhandel steigt, extrem günstig einkaufen zu müssen. Das wiederum macht Druck auf die Erzeuger und die Verarbeiter, die an jeder Ecke Kosten sparen müssen. Und wer glaubt, dass das alles nicht zu Lasten der Qualität geht, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.
Nun wird gerade eine neue Trendsau durch die Medienwelt getrieben: das achtsame Essen. Der kompottsurfer beschäftigt sich schon lange mit dem Thema, weil es tatsächlich von Bedeutung ist. In unserem Buch „Verwegen kochen“ (erschienen 2008) haben Heiko Antoniewicz und ich auch diesen Aspekt beleuchtet. Denn wer Essen einfach nur schnell in sich hineinschlingt, wird seine Qualität und die möglicherweise kunstvolle Art seiner Zubereitung nicht erfassen können.
„Das Ziel der Achtsamkeit“, so formulieren es die Mentaltrainer eines Münchener Instituts auf ihrer Website, „ist inneres Gleichgewicht. Idealgewicht ist nur eine erfreuliche Nebenwirkung.“ Gleichwohl entdeckt der kompottsurfer bei der Internetsuche nach Trainings für mehr Achtsamkeit beim Essen, überwiegend Zusammenhänge mit Abnehmstrategien und Anti-Stress-Verfahren. Dagegen ist selbstverständlich nichts zu sagen, und die Angebote haben sicher ihre Berechtigung, aber aus Genießersicht betrachtet: Wie wäre es mal mit einer Orientierung der Achtsamkeit hin zu Aroma, Geschmack, Textur und Zubereitungsqualität eines Gerichts?
Woran erkennen wir also, was gut ist? Auch am Preis, sicher. Nur anders als es uns die Werbestrategen verkaufen wollen. Vegleichsweise billig ist in der Regel nämlich vergleichsweise weniger gut, um es mal ganz vorsichtig auszudrücken. Achtsamkeit beim Essen fängt schon beim Einkauf an. Bei der Qualität der Produkte, die wir in unseren Warenkorb legen. Bei der Bereitschaft, lieber mehr Geld für gute Zutaten auszugeben als für mehr Pixel auf dem neuen Smart-TV. Und endet bei der Investition von Zeit. Für Einkauf, Zubereitung und Genuss. So geht Achtsamkeit beim Essen aus Sicht eines Genießers.