Ich gebe offen zu, Netflix nicht in erster Linie wegen der großartigen Serie über internationale Spitzenköche anzusteuern. Chef’s Table wirkt neben den von mir gesuchteten Serien wie House of Cards und der Riege der Superhelden (Daredevil, Jessica Jones, Luke Jones, Arrow) wie Arte-Programm, für das ich mich eher selten erwärmen kann. Gleichwohl fasziniert mich die Serie. Weil die Köche Innereien offenbaren. Aspekte ihres emotionalen Ichs, die sich später in ihren Kreationen widerspiegeln. Ob Kochen Kunst ist, hängt auch mit dem Blickwinkel zusammen aus dem es betrachtet wird. Und in Chef’s Table zeigt der Blickwinkel Kunst. Und Künstler. Ein Gericht wird aus meiner Sicht nicht durch den Blick auf den Teller zur Kunst, vom Ende her zu denken funktioniert zumindest beim Essen nicht. Vielmehr ist der Anfang wichtig. Die Idee, der Schaffensprozess.
Nun wird mit Tim Raue der erste Koch aus Deutschland in der Serie vorgestellt. Warum gerade er? Gäbe es hierzulande nicht auch andere Kandidaten seiner Klasse? Klar, die gibt es. Ich weiß natürlich nicht, warum Raue ausgesucht wurde. Ich weiß nur: Ich hätte ihn auch ausgesucht. Er hat einen steinigeren Weg zurücklegen müssen als die meisten seiner Kollegen, schon da gibt es was zu erzählen. Außerdem wirkt er in seiner rustikalen Art authentisch und trägt das Herz auf der Zunge. Es wird Zeit, meine hier vor gut acht Jahren mal formulierte Kritik zu relativieren, alles unter dem Vorbehalt, dass ich ihn zwischenzeitlich nur mal kurz am Rande einer Veranstaltung gesprochen habe, ihn also weiterhin nur anhand seiner Medienauftritte beurteilen kann. Wie auch immer, Raue wirkt auf mich nicht mehr so getrieben wie früher. Ich sehe ihn gerne. Jetzt also in der neuen Staffel Chef’s Table.