Trinken die Deutschen wirklich zu viel Alkohol?

Du, die Wanne ist voll war Ende der 1970er Jahre ein Partyhit, gesungen von der legendären Helga Feddersen im Duett mit Didi Hallervorden. Daran musste ich gerade denken als ich auf Spiegel Online den Aufmacher zur aktuellen Aktionswoche der Deutschen Hauptstelle für Suchtgefahren (DHS) las. Eine Badewanne voller alkoholischer Getränke, so heißt es in einem Interview unter der Spiegel-Meldung, trinke der Durschschnittsdeutsche pro Jahr. Wobei nicht definiert wird, ob es Getränke auf dem Alkoholniveau von Bier mit 4,9 Vol.% sind oder dem von Strohrum (80 Vol%). Welchen Unterschied das macht, weiß jeder, der von beidem schon mal ein paar Schlucke genommen hat.
Um gar nicht erst missverstanden zu werden, ich sehe in unserer Gesellschaft auch einen deutlich zu unreflektierten und sorglosen Umgang mit alkoholischen Getränken. Die gesundheitlichen Gefahren durch überhöhten Konsum sind ohnehin unumstritten, noch heikler aber ist, dass nur schwer zu vermitteln sein dürfte, was „überhöht“ überhaupt bedeutet. Ich kann da erst recht keine Empfehlungen geben, maximal indiviuelle Erfahrungswerte, und die sind ganz sicher nicht auf die Allgemeinheit übertragbar. Es hängt von einer Menge Einflussfaktoren ab, wie viel Alkohol bei wem welchen Schaden anrichtet.
Wenn aber nun der Geschäftsführer des DHS, Dr. Raphael Gaßmann, verlauten lässt „Die Aktionswoche Alkohol kratzt am Mythos, Alkohol sei ein Kulturgut“ und dann einen Zusammenhang zu den Gefahren herstellt, dann lässt mich das als Leser irritiert zurück. Alkohol – wahrscheinlich gemeint: alkoholische Getränke – sind aus meiner Sicht unbedingt Kulturgut. Aber der Fehler liegt darin, daraus eine individuelle Rechtfertigung für ungehemmten Konsum herzuleiten. Aufgabe sollte sein, den Bürger zum mündigen Konsumenten zu befördern, was auch bedeutet, schon in der Schule auf die Gefahren von Alkoholkonsum hinzuweisen, was ja löblicher Weise auch zunehmend gemacht wird.
Trinken die Deutschen nun wirklich zu viel Alkohol? Wenn wir es mal an einer Badewanne mit einem gängigen Fassungsvermögen von 140 Litern bemessen, kämen wir pro Tag auf ein Glas Bier von 0,38 l. Aber es wurde ja nicht explizit formuliert, womit die Wanne gefüllt ist. Vermutlich bezieht sich die Aussage auf eine Veröffentlichung des Spirituosenverbandes, wonach der Durchschnittsdeutsche in 2015 etwa 135,5 Liter unterschiedlicher alkoholischer Getränke konsumiert hat. Davon entfallen auf Bier 105,9 l, Wein 20,5 l, Spirituosen 5,4 l und Schaumwein 3,7 l. Pro Tag also ein 0,3-l-Glas Bier, pro Woche eine 0,4-l-Karaffe Wein, alle zweieinhalb Monate ist eine Flasche Schaps leergetrunken und fünf Mal im Jahr plöppen die Sektkorken. Klingt vielleicht nicht nach über die Maßen viel, aber nun gibt es diesen Durchschnittskonsument eben kaum. Vielmehr aber gibt es zigtausende Erwachsene die keinen, oder nur extrem wenig Alkohol trinken. Bleibt also für die anderen definitiv mehr übrig als höchstwahrscheinlich empfehlenswert ist, ganz unabhängig von weiteren Einflussfaktoren.
Was können Freunde eines guten Tropfens daraus schließen? Qualität statt Quantität könnte eine Lösung sein. Lieber eine gute Flasche Wein pro Woche trinken als zwei schlechte. Nur mal so als Idee.

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