Harald Wohlfahrt und das Ende einer Reise zu den Sternen?

Das war’s jetzt also mit der erfolgreichsten Geschichte der deutschen Spitzengastronomie. Der einflussreichste Sternekoch des Landes, Harald Wohlfahrt, und Heiner Finkbeiner, Eigentümer des Hotels Traube Tonbach samt Restaurant Schwarzwaldstube, sind geschiedene Leute. Heute sollte vor dem Amtsgericht Pforzheim der leidige Streit zwischen dem Koch, der über satte 25 Jahre drei Michelinsterne für das Haus verteidigen konnte, und dem Erben des einstigen Begründers des Traube-Tonbach-Erfolgs verhandelt werden. Wer aber nun erwartet hatte, dass heute körbeweise schmutzige Wäsche gewaschen würde, sah sich getäuscht. Der Streit wurde vor Prozessbeginn geschlichtet. Und aus meiner Sicht betrachtet ist das sehr gut so – die Kolleginnen und Kollegen aus dem Boulevard mögen es anders sehen.

Die Vorgeschichte in Kurzform. Der 61-jährige Harald Wohlfahrt, seit 40 Jahren dem Haus zu Diensten, sollte die Verantwortung am Herd nach einer gemeinsamen Übergangszeit an seinen langjährigen Sous Chef, Torsten Michel, abgeben und als Küchendirektor weitermachen. Die Sache schien aber nicht so reibungslos abzulaufen, wie sie nach Außen hin verkauft worden war. Schließlich soll Herr Finkbeiner vor wenigen Wochen Herrn Wohlfahrt das Betreten der Küche schriftlich untersagt haben, worauf der sich zurück an den Herd klagen wollte. Drama. Drama. Drama. Und ein unwürdiges Spektakel für ein Haus, das kulinarisch betrachtet Weltruhm genießt.

Wie genau die gütliche Einigung unter vereinbartem Stillschweigen aussieht, die vor wenigen Minuten unter anderem von den Stuttgarter Nachrichten bekannt gegeben wurde, ist unklar. So schnell wird Stillschweigen dann doch nicht gebrochen. Wie gerade Nikos Gourmetwelten melden, soll Wohlfahrt jedoch erklärt haben, ihm stünde die Option offen, als kulinarischer Direktor in der Traube Tonbach weiterzuarbeiten. Derweil ließ Finkbeiner erklären, man werde das große kulinarische Erbe von Harald Wohlfahrt immer hochhalten.

Liebhaber der Kaffeesatzleserei dürften daraus unschwer eine Trennung mit finanziell ausreichendem Schmerzensgeld für Wohlfahrt dechiffrieren. Harald Wohlfahrt, so beschreibt es der geschätzte Kollege Bert Gamerschlag im aktuellen stern, könnte sich schon lange von Heiner Finkbeiner missachtet, gedemütigt und ausgebeutet gefühlt haben. Kaum vorstellbar, dass da noch was zu kitten ist. Ganz anders sei das Verhältnis zu dessen Erb-Onkel Willi Finkbeiner gewesen, der ihn vor vier Jahrzehnten eingestellt hatte.

Wie es weitergeht mit der Traube Tonbach und Harald Wohlfahrt, vermutlich auf getrennten Wegen, wird sich zeigen. Torsten Michel wird mittelfristig mit mindestens zwei Sternen weiterkochen, davon darf man ausgehen. Und wenn er denn sogar den dritten Stern hält, wäre er der fünfte von aktuell neun weiteren deutschen Köchen mit 3 Sternen, die Wohlfahrt ausgebildet hat (Kevin Fehling, Thomas Bühner, Christian Bau, Klaus Erfort). Von den vielen Köchen mit zwei Sternen oder einem Stern, die durch seine Schule gingen, gar nicht zu reden.

Vielleicht, so wäre zu hoffen, packt Wohlfahrt was ganz Neues an und blüht mit seinem ganzen Können und seiner Kreativität andernorts noch einmal auf. Es wäre ihm und den vielen Freunden seiner Küche nur zu wünschen.

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