Ich war gerade auf dem Weg in die Niederlande als die Radionachrichten den Eierskandal vermeldeten, womit klar war, dass Rührei als Mahlzeit für die nächsten Tage ausfallen würde. Warum ich aber schon im nächsten Moment ausgerechnet an Oliver Kahn’s legendären Satz „Eier! Wir brauchen Eier!“ denken musste, werde ich bei Gelegenheit mal einen Psychologen fragen, wenn mir einer über den Weg läuft. Vielleicht war es der genervte Unterton mit dem Kahn den Ausspruch tat. Denn genervt bin ich auch und ganz besonders, weil dieser Skandal kein verarbeitetes Industrieprodukt betrifft, sondern ein ziemlich unverarbeitetes. Zwar verringert der Konsument sein Risiko, verseuchte oder verpanschte Ware zu kaufen, je weniger verarbeitet ein Nahrungsmittel ist. Aber frei von Risiko ist er selbst dann nicht wie das aktuelle Beispiel zeigt.
Seit Beginn der Aufzeichnungen des kompottsurfers 2006 ziehen sich reichlich Meldungen über Gefährdungen der Lebensmittelsicherheit durchs Archiv. Eier waren auch schon Thema. 2011 wurde ein Dioxinskandal bekannt, 2013 wurden herkömmliche Eier unter anderem als Bio-Eier verkauft. Im letzten Jahr sickerte durch, dass die Verantwortlichen für das Dioxin verseuchte Futter durch das wiederum Hühner und Eier kontaminiert wurden, nur geringe Geldbußen als Ordnungswidrigkeit zu zahlen hatten. Schon da mutmaßte ich, dass eine solche Entscheidung für Missetäter geradezu wie ein Persilschein augefasst werden muss. Und – der Kalauer sei erlaubt – jetzt gibt’s für viele Eier einen Fipronilschein. Fipronil, ein Schädlingsbekämpungsmittel, wurde inzwischen aber nicht nur in Oranje-Eiern entdeckt sondern auch in solchen aus Belgien und Deutschland. Das Problem ist also offensichtlich nicht auf einen Einzelfall begrenzbar.
Wirklich gesundheitsschädlich sind die Mengen nicht, die bisher in den Proben gefunden wurden, sagt das Bundesamt für Risikobewertung (BfR). Beruhigen sollte uns das aber keinesfalls, im Gegenteil. Nur ein sehr geringer Teil der in Deutschland (und vermutlich in ganz Europa) im Handel verfügbaren Nahrungsmittel wird kontrolliert. Und wenn es Stichproben gibt, decken die viel zu oft gravierende Mängel auf. Brauchen wir also mehr Proben, mehr Mitarbeiter in den Kontrollbehörden und mehr Geld für die Ausstattung eben dieser? Helfen könnte es sicher. Aber kriegsentscheidend ist das nicht.
Was wir brauchen sind Eier. Um Selbstkritik zu üben. An unserem Konsumverhalten. Hauptsache billig, aber bitte mit Qualität funktioniert in einer Gesellschaft nun mal nicht, deren Lebensmittelmarkt hauptsächlich darauf ausgerichtet ist, pekuniären Gewinn abzuwerfen. Also müssen zuallerst wir uns ändern. Oder wie es die Generation meiner Eltern gerne formuliert hat: Man sollte zuerst vor der eigenen Haustür kehren. Qualität hat ihren Preis eben nicht nur beim Autokauf. Ich empfehle, mehr Geld für gute Nahrungsmittel und weniger für den fahrbaren Untersatz ausgeben. Und nein, ich schweife jetzt nicht noch zum Thema Diesel ab. Die Eier reichen für heute.
UPDATE: Die Firma Abelssoft hat eine kostenlose App mit dem Namen Faules Ei entwickelt, die eine Identifizierung heikler Ware ermöglichen soll. Der kompottsurfer hat’s ausprobiert. Funktioniert ganz simpel. Einfach den auf dem Ei befindlichen Code eingeben, und wenn es keine Bedenken gibt, erscheint ein Häkchen mit dem Hinweis „Alles okay! Ihre Eier sind unbedenklich!“