Es sei „höchste Zeit, dass Deutschland begreift, welchen Schatz es mit seiner Spitzenküche hütet“ schreibt FAZ.net mit Blick auf die anstehende Präsentation des Michelin Guide Deutschland 2018 heute im Feuilleton. Und ja, die Kollegen haben recht, noch immer scheint hierzulande nicht angekommen zu sein, wie gut die heimische Küche über die letzten zwei Jahrzehnte geworden ist. Wundern tut mich das allerdings nicht. Denn solange auf den Ebenen unterhalb der Sternegastronomie eine so große Diskrepanz besteht zwischen dem, was man hierzulande gewöhnlich aufgetischt bekommt und den von unten bis oben authentisch erscheinenden kulinarischen Großmächten Frankreich und Italien, wird die Spitzenküche nicht als Teil unserer kulinarischen DNA wahrgenommen, auf die man stolz ist, sondern eher als elitär abgedrehter Spielplatz für Wichtigtuer. Ein derart tiefer Graben lässt sich nicht mal mit den köstlichsten Gänseleberwaffeln überbrücken. In Spanien gibt es ja eine ähnlich tiefe kulinarische Kluft. Aber da haben sie im Moment ganz andere Sorgen.
Und so kann ich auch die Einschätzung der FAZ-Kollegen bei der Ursachenforschung nicht teilen, wenn es heißt, „das kleingeistige Gekeife von der vermeintlichen Überflüssigkeit der Michelin-Sterne, Gault-Millau-Punkte, Feinschmecker-Fs, Gusto-Pfannen“ führte „in einer notorischen Neidgesellschaft wie der deutschen“ dazu, der Haute Cuisine höhnisch die Totenmesse zu lesen. Das Problem liegt in Wahrheit tiefer, im fehlenden Unterbau, wo ganz selbstverständlich frisch und authentisch gekocht wird. Nur wenige Regionen in Deutschland bilden da eine Ausnahme. Auch deshalb erwarte ich den Michelin Bib Gourmand Guide, der genau solche Häuser in den Blickpunkt rückt, mit größerer Vorfreude als den Sternenführer.
Aber nun zu den aktuellen Ergebnissen, die gerade im Rahmen der Michelin-Gala in der Metropolis Halle im Filmpark Babelsberg verkündet werden. Zu befürchten war, dass die geradezu im Abonnement vergebenen drei Sterne für das Baiersbronner Hotel-Restaurant Schwarzwaldstube nach dem unrühmlichen Abschied von Harald Wohlfahrt keinen Bestand mehr haben würden. 25 Jahre hatte Wohlfahrt die höchste Auszeichnung für Köche weltweit halten können, so lange wie sonst keiner in Deutschland. Aber die Schwarzwaldstube ist weiterhin top. Nachfolger Torsten Michel darf sich über drei Sterne freuen. Wie auch Jan Hartwig aus dem Atelier im Bayerischen Hof, der innerhalb von nur zwei Jahren von einem Stern auf drei Sterne durchstartet. Begründet wird das vom internationalen Direktor des Guide Michelin, Michael Ellis, so: „Die Küche von Jan Hartwig hat in nur wenigen Jahren eine eigene Handschrift entwickelt. Die Gerichte verfügen über geschmacklichen Tiefgang, Klarheit und sind intelligent im Aufbau.“ Damit verfügt Deutschland jetzt über elf Restaurants auf höchstem internationalen Niveau.
Gleich vier Aufstiege gab es in die Klasse der 2-Sterne-Restaurants. „Keilings Restaurant“ im niedersächsischen Bad Bentheim zählt ebenso dazu wie der gerade vom Magazin Der Feinschmecker zum Koch des Jahres gewählte Nils Henkel an seiner neuen Wirkungsstätte „Schwarzenstein“ in Geisenheim/Rheingau, das „Le Cerf“ im „Wald- & Schlosshotel Friedrichsruhe“ in Zweiflingen sowie das „Courtier“ im schleswigschen Wangels. Insgesamt 39 Adressen in Deutschland werden – wie im Vorjahr – von zwei Sternen beleuchtet, dadurch, dass es auch drei Streichungen und einen Aufstieg gab. Einen Stern erhalten 250 Restaurants – neuer Rekord.
Aber wie sieht es in den heimischen Gefilden aus? Große Freude über den neuen Stern fürs Laurushaus herrscht auf Schloss Hugenpoet. Ich freue mich ganz besonders für Küchenchefin Erika Bergheim, die nach dem Ende des Restaurants Nero nun in einem kleinen Nebengebäude vom Schloss ihre ganze Schaffenskraft ausspielen kann. Ein weiterer Lichtblick ist der neue Stern für die Ratsstuben in Haltern am See. Weiterhin leuchten zwei Sterne für Frank Rosin sowie je einer für Schote (Essen), Goldener Anker (Dorsten) Palmgarden (Dortmund), Landhaus Köpp (Xanten), Am Kamin (Mülheim/Ruhr) und das von mir höchstpersönlich eingemeindete Haus Stemberg in Velbert. Es geht also kulinarisch voran im Ruhrgebiet, großartig.
Hier nun der bundesweite Überblick mit allen Restaurants, die mit drei oder zwei Sternen ausgezeicnet worden sind:
3 Sterne
Baiersbronn // Restaurant Bareiss
Baiersbronn // Schwarzwaldstube
Rottach-Egern // Restaurant Überfahrt Christian Jürgens
Hamburg // The Table Kevin Fehling
Osnabrück // La Vie
Wolfsburg // Aqua
Bergisch-Gladbach // Vendôme
Wittlich/Dreis // Waldhotel Sonnora
Perl // Victor’s Fine Dining by christian bau
Saarbrücken // GästeHaus Klaus Erfort
München // Atelier
2 Sterne
Berlin // FACIL
Berlin // Fischers Fritz
Berlin // Horváth
Berlin // Lorenz Adlon Esszimmer
Berlin // reinstoff
Berlin // Rutz
Berlin // Tim Raue
Baiersbronn // Schlossberg
Konstanz // Ophelia
Mannheim // Opus V
Zweiflingen // Le Cerf im Wald- & Schlosshotel Friedrichsruhe
Peterstal-Griesbach, Bad // Le Pavillon
Rust // ammolite – The Lighthouse Restaurant
Sulzburg // Hirschen
Aschau im Chiemgau // Restaurant Heinz Winkler
Augsburg // AUGUST
München // Dallmayr
München // EssZimmer
München // Geisels Werneckhof
München // Tantris
Nürnberg // Essigbrätlein
Wernberg-Köblitz // Kastell
Frankfurt am Main // Lafleur
Geisenheim (Rheingau) // Schwarzenstein
Hamburg // Haerlin
Hamburg // Jacobs Restaurant
Hamburg // Süllberg – Seven Seas
Bad Bentheim // Keilings Restaurant
Cuxhaven // Sterneck
Dorsten // Rosin
Düsseldorf // Im Schiffchen
Köln // Le Moissonnier
Neuenahr-Ahrweiler, Bad // Steinheuers Restaurant Zur Alten Post
Piesport // schanz. restaurant.
Trier // BECKER’S
Glücksburg // Meierei Dirk Luther
Sylt/Rantum // Söl’ring Hof
Leipzig // Falco
Wangels // Courtier