Als bekennender Fan des nieder-gelassenen Fachhandels könnte ich’s mir einfach machen und sagen: Was kümmern mich die Weine vom Discounter oder aus dem Supermarkt. Kann ich vor Ort nicht probieren, den Stoff, und Beratung gibt’s auch keine – also uninteressant. Aber wenn man seit über zwei Jahrzehnten regelmäßig Vergleichsproben von Fachhändlerweinen organisiert, ist es geradezu Pflichtprogramm auszuloten, was über die Discounter an den Verbraucher gebracht wird. Meistens tue ich das im stillen Kämmerlein, doch in diesem Jahr mache ich eine Ausnahme, weil allen voran Deutschlands größter Weinhändler ALDI kurz vor Weihnachten mit besonders interessant erscheinenden Aktionsangeboten Aufmerksamkeit generiert. Bei ALDI-Nord geht das einher mit der größten Umstrukturierung der Firmengeschichte. Das neue Instore-Konzept des Essener Konzerns, der dafür Investitionen im Milliardenbereich tätigt, soll den Filialen eine wertigere Ausstrahlung geben. Und das bedeutet eben nicht nur hellere und übersichtlichere Ladengestaltung und Abkehr vom gestalterischen Kernelement Europalette, sondern zugleich ein mehr an Qualität. Seit wenigen Wochen übrigens auch bei mir um die Ecke zu besichtigen, in der ALDI-Filiale unweit des Eisenbahnmuseums Dahlhausen.
Drei der probierten Weine aus dem Weihnachtsprogramm verdienen aus meiner Sicht besondere Beachtung:
2016 // Riesling QbA // Pfalz // Wachtenburg Winzer eG // 5,99 €
2016 // Y Pinot Noir // South Island Neuseeland // Weinkellerei Oster // 4,99 €
2009 // Epulum // Rioja Gran Reserva DOC // Bodegas La Catedral // 6,99 €
Es ist kein Geheimnis, dass mir die Pfalz unter Deutschlands Anbaugebieten das liebste ist. Rebsortenvielfalt, die vielen jungen innovativen Winzer und auch der Umstand, dass ich ein Anhänger des Naturreservats Pfälzerwald bin, das ich oft bereise, haben über die Jahre dazu beigetragen. So lernte ich auch die Weine der Wachtenburger Winzergenossenschaft kennen, die in den Vorjahren über Wir Winzer vertrieben wurden. Aber nun, da ALDI-Nord als prominenter Großabnehmer im Rennen ist, sind deren Weine aktuell bei Wir Winzer nicht mehr gelistet. So viel vorweg, bei ALDI dürfte der Riesling vermutlich nicht billiger sein, als er über den anderen Vertriebsweg zu haben gewesen wäre, aber das ist ohnehin nicht die spannendste Frage. Viel wichtiger: Was kann der Wein? Für mich ist er ein idealer Einsteiger in die Rieslingwelt. Die Rebsortentypizität ist da und die Säure alles andere als garstig. Im Duft mineralische Noten, Apfel, Mandarinenzeste und Pfirsich. Im Geschmack saftig und frisch mit leichten Zitrusnoten.
Besonders neugierig war ich auf den Y Pinot Noir, ein Wein, der von der Cochemer Kellerei Andreas Oster produziert wird. Zugegeben, völlig unvoreingenommen kann ich an Weine aus Übersee nicht mehr herangehen, weil ich immer den CO2-footprint-Aspekt mitdenken muss und es hierzulande wahrlich genug guten Spätburgunder gibt. Aber bei 4,99 Euro? Alter Landschaftsgärtner, da geht Ignorieren einfach nicht. Und tatsächlich präsentierte sich da ein frischer, blitzsauberer Einsteiger-Pinot-Noir, im Duft mit Noten von roten Früchten und Schokolade, am Gaumen mit etwas Kirsche und guter Länge.
Schließlich hatte ich auch noch den 2009er Epulum Rioja Gran Reserva im Glas, der deutlich jugendlicher wirkte als ich erwartet hatte. Der Einsatz neuer statt traditionell alter Eichenfässer in der zwei- bis dreijährigen Ausbauphase dieses Riojas, so erfuhr ich, sollen zu seiner guten Struktur und der geradezu jugendlichen Frische beigetragen haben. Im Duft Noten von Pflaume, etwas Vanille und Gewürzen. Im Geschmack sauber mit leichter Holzwürze und Vanille.
Fazit: Die Weine sind allesamt ohne Fehl und Tadel. Zielgruppe sind hier nicht die Weinfreaks, die es eckig, kantig und unkonventionell mögen, sondern Weintrinker, für die beim Weingenuss die Attribute gut und unkompliziert kein Widerspruch sind.
Schließlich darf auch ein Hinweis auf ALDI-Süd nicht fehlen, für die VDP-Topwinzer Raimund Prüm, respektive seine Tochter Saskia Andrea, eine fruchtsüße Riesling Spätlese aus der renommierten Saar-Lage Ockfener Bockstein bereitgestellt haben, ein Wein dessen Preis mit 15,99 € hochattraktiv kalkuliert ist. Nur mit dem Trinken würde ich noch warten. Sein volles Potential wird dieser Wein wohl erst in einigen Jahren entfalten. Aber in den Keller könnte man ihn ja schon mal legen …
Und jetzt werde ich mich wieder mit Ruhe und Hingabe den Weinen aus dem Fachhandel widmen. Und denen, die mir die Winzer meines Vertrauens zum Probieren direkt vor Ort einschenken.