Afrikanische Schweinepest: Ist die Gefahr wirklich so groß?

„Es ist äußerste Undankbarkeit, wenn die Wurst das Schwein ein Schwein nennt“, schrieb Karl Kraus vor ziemlich genau einem Jahrhundert. Keine Ahnung, warum mir das legendäre Zitat des Satirikers gerade im Zusammenhang mit der Afrikanischen Schweinepest einfällt. Ich werde wohl mal wieder meine Psychologin anrufen müssen.

Mit der Europäischen Schweinepest hatten wir es in Deutschland im größeren Ausmaß zuletzt 2006 zu tun. Ganz in der Nähe, am Nordrand des Ruhrgebiets hatte sich die Seuche ausgebreitet, in deren Folge knapp 100.000 Schweine gekeult wurden. Gut zehn Jahre zuvor waren in den Niederlanden über 12 Millionen Schweine den Maßnahmen zur Eindämmung der Seuche zum Opfer gefallen. Nun sorgt die Afrikanische Schweinepest für Aufregung bei Landwirten, Politikern, Verbrauchern und Tierschützern, die sich derzeit im nahen Osteuropa bei Wildschweinen ausbreitet und im ferneren Russland (Region Belgorod) bereits Hausschweine in einer Mastanlage befallen haben soll.

Laut Wikipedia gilt die Afrikanische Schweinepest als deutlich weniger ansteckungsgefährdend als die Europäische. Dem Menschen, so ist zu lesen, kann sie auch nicht gefährlich werden, soweit er sein Geld nicht mit Viehzucht verdient und die Keule der Zwangstötung kompletter Tierbestände fürchten muss. Und so wirkte die Wucht der medialen Gefahrenbeschwörung auf mich zunächst ein wenig befremdlich. Angeblich Schuld an dem Schlamassel – einer muss ja Schuld sein – das Wildschwein als Überträger, dessen Lobby hierzulande kaum größer sein dürfte als die der Klapperschlangen in Texas, wo es alljährlich ein mehrtägiges Jagdfestival gibt, wie der Guardian vor gut zwei Jahren berichtete. Das Fleisch der Schlangen wird dort (angeblich, ich war noch nie dabei) frittiert gegessen. Wildschwein isst man hierzulande eher gebraten, aber das nur am Rande. Wissen ohnehin die allermeisten, die hier mitlesen. Wo wollte ich hin? Ach ja: Fällt das Borstenvieh noch mehr in Ungnade, weil es jetzt nicht mehr nur an besiedelten Stadträndern den Hausmüll durchwühlt, sondern auch noch das Hausschwein mit der Afrikanischen Schweinepest anstecken könnte, wird es vielleicht schon bald in Bayern oder Brandenburg Widschwein auf texanische Art geben – bei Festivals gejagt und anschließend gegrillt als Texasburger serviert.

Auf der Suche nach sachkundigen Aussagen von Experten bin ich auf dieses aktuelle Interview von Dagny Lünemann mit dem Geschäftsführer der Deutschen Wildtier Stiftung, Hilmar Freiherr von Münchhausen gestoßen, veröffentlicht auf Zeit Wissen Online. Kann ich jedem Interessierten unbedingt empfehlen, egal, ob man nun für die ausgedehnte Wildschweinjagd ist oder nicht. Es erlaubt einen Blick in eine Welt, die man als Stadtmensch nicht unbedingt so wahrnimmt, der wiederum alles andere als unschuldig ist an der Gefahrenlage. „Maßgeblicher Überträger der Afrikanischen Schweinepest ist der Mensch, der das Virus über Lebensmittel oder kontaminierte Fahrzeuge verschleppt“ sagt der Freiherr und kritisiert den aktuellen politischen Aktionismus: „Keine Schonzeiten mehr, Jagen mit künstlichen Lichtquellen auch zur Nachtzeit, Abschussprämien. Sogar über große Lebendfallen, sogenannte Saufänge wird diskutiert. So etwas hat nicht mehr viel mit Jagd zu tun, sondern ähnelt der Schädlingsbekämpfung.“ Was für eine Schweinerei, möchte man sagen. Selbst wenn man Wildschweinbraten lecker findet.

Ein Gedanke zu „Afrikanische Schweinepest: Ist die Gefahr wirklich so groß?“

  1. … teil die Einschätzung des kompottsurfers: Das ähnelt doch alles in allem der Argumentation bei der Massenerkrankung von Hühnern; hier wurden ja auch Wildvögel verantwortlich gemacht, nicht aber Massentierhaltung und Massentransporte quer durch die Republik und darüber hinaus. Dass es aber zu viele Wildschweine gibt, liegt wohl auch daran, dass die von den Jägern angekirrt werden…

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