Neues aus der Reihe ‚Mehr Mut am heimischen Herd!‘: Kalamata-Azuki-Paste.

Die Sozialen Medien können für engagierte Hobby- und Alltagsköche ein Fluch sein. Das weiß jeder, der schon mal großartig inszenierte Speisen seiner Freunde auf Facebook und Instagram bestaunen durfte, wohl wissend, dass man es selbst niemals so gut hinbekommen würde. Wer dann, wie ich, auch noch mit zahlreichen Profiköchen verbunden ist und sieht, was die so alles auf die Teller zaubern, möchte ich aus purer Verzweiflung die Kochbrocken in die Ecke pfeffern, wenn mal wieder was daneben geht. Das passiert besonders zuverlässig in Momenten der Wagnisse. Wo man Dinge ausprobiert oder kombiniert, die man noch nie gemacht hat. Und von denen man annimmt, dass sie auch noch kein anderer gemacht hat. Die Momente kulinarischer Anmaßung. Für einen Augenblick wagen wir uns aus der Deckung des Schutzwalls Alltagsküche, fühlen für einen Moment die belebende Wirkung aufkommender Kreativität, nur um ein paar Fehlgriffe später verschämt auf das zu schauen, was wir auf den Tellern angerichtet haben. Vor unserem geistigen Auge sehen wir, wie sich Freunde und Profiköche für unser Gebrutzel Fremdschämen und schwören vor uns selbst, es nie wieder zu tun. Ich sage mir dann: Auch wenn du ein versierter Esser bist, bist du noch lange, lange kein versierter Koch.

Und dann kommt der Tag, an dem man es doch wieder versucht. So einen hatte ich vorgestern. Kurz zuvor war ich im Biomarkt durch die Abteilung mit getrockneten Hülsenfrüchten spaziert, hatte die Kühlung der Klimaanlage genossen, während draußen die Sonne den Asphalt zu schmelzen drohte, und sah dann ein Paket mit getrockneten Azuki-Bohnen. Ich erinnerte mich dunkel an eine Rote Bohnenpaste, die ich vor einer Weile in einem koreanischen Restaurant gegessen hatte. Wie die meisten asiatischen Pasten aus Roten Bohnen schmeckte sie süß. In diesem Moment spürte ich in mir wilde Entschlossenheit, eine rote Bohnenpaste mal herzhaft zuzubereiten. Merkwürdig, dass man in Deutschland den Begriff herzhaft als geschmacklichen Gegenentwurf zu Süßspeisen interpretiert, aber ich komme vom Thema ab. Wo war ich? Ach ja, Azuki-Bohnen als Grundlage einer herzhaften Paste.

Vermutlich war es die Farbe, die mich an Kalamata-Oliven denken ließ und die wiederum an Zwetschgen, weil ich schon immer mal Zwetschgen mit Oliven kombinieren wollte. In meinem Hirn schien das eine wilde, gleichwohl harmonische Kombination zu sein. Dann dachte ich an Tapenade. Und schon war der Gedanke geboren, eine Drei-Komponenten-Paste aus Azuki-Bohnen, Bühler Zwetschge und Kalamata-Oliven zu kreieren. Hat bestimmt noch niemals jemand gemacht, redete ich mir im Kreativrausch ein.

Die heikelste Mission war nun, mir Mengenverhältnisse zu basteln, mit denen das Ganze geschmacklich funktionen könnte. Wenn es denn überhaupt eine Chance auf Geschmackserfolg gab. Ich peilte über den dicken Daumen, dass ich mit 150 g getrockneten Azuki-Bohnen, die ich über Nacht einweichen ließ, in Kombination mit 150 g Zwetschgen und  100 g Oliven hinkommen sollte. Gedacht, gemacht. Die Bohnen wurden nach dem Einweichen noch 50 Minuten gekocht, Oliven und Zwetschgen entsteint, letztere auch noch von der Haut befreit. Drei Löffel bestes Olivenöl dazu und mit dem Stabmixer alles zusammen kleingehext. Schließlich mit Zitronenabrieb, Salz, Pfeffer und ein paar Spritzern Balsamico abgeschmeckt und fertig. Ich musste mich gar nicht selbst belügen um mir zu sagen, jawoll, das kann man essen. Sogar gut essen. Ein bisschen Feinabstimmung bei den Mengen braucht es vielleicht noch, aber sonst eine prima Allzweckwaffe für diverse Grillgerichte und Vorspeisenteller. Farblich erinnert die Paste übrigens sehr an den berühmten vieletten Senf von päpstlichen Gnaden, den Moutarde violette de Brive.

Und die Moral von der Geschichte? Ich weiß jetzt, warum ich wieder und wieder irgendwas experimentiere, auch wenn es von rund 340 Kochtagen im Jahr vielleicht nur 13 sind, an denen ich kuriose Dinge wie diese Paste versuche. Es ist genau dieser Moment der belebenden Wirkung aufkommender Kreativität. Das fühlt sich einfach gut an. Probiert es unbedingt aus, liebe Leser! Wenn ich jetzt noch lerne, mir weder fremdschämende Experten vorzustellen noch sonst was Abtörnendes, ist meine Kochwelt wieder ein Stück schöner geworden.

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