Einmachen. Eine ausgemacht gute Idee.

Was mussten wir alles lesen, sehen, hören in den letzten Jahren über den bedauernswert fahrlässigen Umgang von Produzenten und Verbrauchern mit Nahrungsmitteln hierzulande. Aber halt, stop! Warum überhaupt bedauernswert? Wir sind die Konsumenten, und wir können selbst entscheiden, welchen Käse wir machen. Ob wir unseren Kühlschrank vollstopfen als stünden monatelange Versorgungsengpässe wegen Alienangriffen bevor. Dabei züchten wir die Aliens selbst. Der Käse kriegt Füße, und die Sahne verfärbt sich blau wie Kree-Schergen vom Planeten Hala. Nur weil wir zu oft und zu gierig planlos einkaufen, mutieren unsere Kühlschränke zu unheimlichen Orten. Vollgestopft mit Behältern aus Plastik, die nicht selten unangetastet samt Inhalt in den Müll wandern, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist.

Meine Omas kannten noch Zeiten ohne Kühlschrank. Zeiten mit Nahrungsmittelmangel. Zeiten in denen Essen kostbar war. Und wo alles nutzbar gemacht wurde. Wenn man zum Beispiel Schweine schlachtete, dann mit hoher Wertschätzung für alles, was das Tier an Nahrhaftem hergab. Von den Ohren über das Blut bis zu den Füßen. Genauso verfuhr man mit Obst und Gemüse. Äpfel, die wurmstichig vom Stamm fielen waren immer noch gut für Apfelmost.

Die meisten Stadtmenschen verfügen heutzutage weder über Schweine, Kaninchen oder Hühner im Hinterhof noch über einen Garten mit Obst und Gemüse. Und doch steht die Tür zu verantwortungsvollem Genuss jedem offen, der den Willen dazu aufbringt. Wer die Augen offen hält, kann sogar Obst, Gemüse und Kräuter heranschaffen ohne Geld dafür auszugeben. Außerdem wachsen in fast allen städtischen Regionen massenhaft Brombeeren, die sich an jeder zweiten Ecke ernten und dann sowohl frisch im Müsli oder eingekocht als Marmelade verwenden lassen. Neben den Brombeeren stehen sehr oft Holunderbeersträucher, deren Früchte etwa zur gleichen Zeit reif werden. Man sollte sie nicht roh essen, aber als Gelee oder Sirup schmecken sie vorzüglich. Sie machen sich wunderbar im Duett mit Brombeeren und können auch diverse Apfelzubereitungen geschmacklich veredeln.

Nur wenige Kilometer von meinem Wohnort entfernt lebte einst Henriette Davidis, die sich um die Pflege und Verbreitung von Rezepten aller Art verdient gemacht hat. Ein Museum im Städtchen Wetter an der Ruhr erinnert an ihr Wirken. Ihre Bücher wurden bis Mitte des 20. Jahrhunderts millionenfach verkauft. In meinem Kochbuchregal findet sich ein Exemplar der 48. Ausgabe von 1921. Ein Erbstück von meiner Oma väterlicherseits. Wenn nicht darin, wo sonst sollte ich einen guten Überblick an Rezepten finden mit deren Hilfe Obst und Gemüse schmackhaft haltbar zu machen wären? Zumal Davidis in unserer Heimat lebte und mit dem Umgang hier gut gedeihender Grundprodukte bestens vertraut war.

Und tatsächlich sind seitenweise Anregungen zu finden. Im Grunde unterscheidet sie drei Arten des Einmachens. Mit Branntwein (Obst), mit Zucker (Obst und Gemüse) und mit Essig (Gemüse). Da sind die Schwarzkirschen (alternativ Heidelbeeren) zum Kompott eingemacht mit Essig und Zucker, was laut Davidis im Winter als Beigabe zu diversen Obstkuchen schmeckt. Überhaupt macht sie einiges zusammen mit Essig und Zucker ein, sogar Melone, was mich einigermaßen erstaunt hat. Wobei mir nicht klar war, dass die Zuckermelone eine Verwandte der Gurke ist, und Gurken durchaus  als sehr einmachtaugliche Dinger bekannt sind. Was mich wirklich interessiert und ich unbedingt probieren muss, bevor die Saison vorbei ist: Senfzwetschen. Das „man nehme“ liest sich bei Davidis großartig, vor allem, was die Mengen betrifft: 8,5 kg abgeriebene Zwetschen, 3 l Bieressig, 1 kg Zucker, 20 g Nelken, 15 g Zimt sowie 250 g braune Senfsamen. Vermutlich werde ich mit knapp der Hälfte auskommen. Für die nächsten paar Jahre.

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