Es erstaunt mich immer wieder, wie sehr unser Ernährungsverhalten mit unserer Psyche verdrahtet ist. Und mich verwundert, wie wenig wir daraus zu lernen scheinen. Essen, das unsere Leistungsbereitschaft steigern oder schwächen, Depressionen begünstigen oder mildern kann – alles keine wirklich neuen Erkenntnisse. Trotzdem sehen die gefüllten Einkaufswagen der Konsumenten im Supermarkt oft aus, als wüsste der Mensch nicht, was hochverarbeitete Lebensmittel und ein Übermaß an Zucker, Kohlenhydraten und Transfetten anrichten können. Die tickenden Zeitbomben, die wir uns einverleiben – kaum in Schach zu halten von einem Körper, den Bewegungsmangel in Beruf und Freizeit saft- und kraftlos gemacht haben – bedrohen unser Leben auf eine Weise, die wir ernster nehmen sollten.
Natürlich muss jeder erwachsene Mensch selbst entscheiden können, was und wie viel er von welchen Nahrungsmitteln vertilgt. Denn Bevormundung löst das Problem nicht, und ist selbst bei der Kindererziehung kaum hilfreich. Warum mir ausgrechnet jetzt das Thema wieder in den Sinn kommt? Hab‘ ich während und nach der Fußball-WM vielleicht zu viele Chips, Erdnüsse und Salzstangen gegessen und Bier getrunken? Uneingeschränktes Ja. Und die Bewegung kam wegen einer Verletzung auch zu kurz. Aber aufgerüttelt hat mich etwas anderes. Und das betrifft den Kopf.
Eine Untersuchung der Universität Lübeck mit dem Titel Impact of nutrition on social decision making legt beispielhaft dar, wie sehr unterschiedliche Nährstoffzusammensetzungen im Frühstück Entscheidungsverhalten beeinflussen kann. Prof. Dr. Soyoung Park, Professorin für Sozialpsychologie und Neurowissenschaft der Entscheidung an der Universität zu Lübeck, leitete die Studie. Sie sagt: „Tier- und Humanstudien haben schon vor vielen Jahren gezeigt, dass die Zusammensetzung unserer Nahrung Einfluss auf die im Gehirn zur Verfügung stehenden Neurotransmitter hat. Bisher war jedoch nicht klar, ob dies in einem Maß geschieht, welches tatsächlich unser Verhalten messbar verändert.“ Inzwischen wissen die Forscher mehr. Das Verhältnis von Kohlenhydraten, Fett und Protein zueinander steuert unseren Aminosäuren-Haushalt. Der wiederum hat großen Einfluss darauf, welche Neurotransmitter in unserem Gehirn aktiviert werden, die wiederum unser Entscheidungsverhalten steuern. Je höher der Anteil an Kohlenhydraten im zurückliegenden Frühstück war, desto sensibler reagierten die Probanden auf Unfairnis. Ermittelt wurde das anhand von Reaktionen auf ein Spiel aus der mathematischen Spieltheorie.
Man kann daraus schließen, dass unsere Ernährung nicht nur offensichtliche, körperliche Unterschiede wie Übergewicht beeinflusst sondern auch psychische. „Diäten, wie die derzeit beliebte ‚Low Carb‘-Diät, sollten vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse kritisch betrachtet werden. Sie führen zwar eventuell zu dem gewünschten Gewichtsverlust, beinhalten aber ein extrem unausgewogenes Verhältnis von Kohlehydraten und Proteinen und können dadurch einen direkten Einfluss auf unser alltägliches Verhalten haben“, gibt Dr. Sabrina Strang, Mitautorin der Studie zu bedenken.
Ich habe daraufhin mal einen kritsichen Blick auf mein übliches Frühstück geworfem. Vollkornmüsli mit ein paar Trockenfrüchten, Weizenkeimlinge, ungezuckerter Naturjoghurt aus eigener Herstellung, Granatapfelkerne und weiteres frisches Obst sowie 10 Gramm Bitterschokolade (80%). Damit komme ich bis in die späte Mittagszeit prima hin, ohne Hungergefühl. Verzichte ich weitgehend auf Kohlenhydrate zum Frühstück, kommt der Hunger früher, meine Ungeduld steigt, und schon deshalb bin ich dann nicht mehr ganz so umgänglich wie sonst. Wie heißt es so schön in der Werbung: Du bist nicht du wenn du hungrig bist.