Auf zum Bratenbegräbnis: Die Reste der Feste lecker verwerten.

Normalerweise wird der Müll bei uns am Dienstag abgeholt, so gegen 7 Uhr morgens. Wehe dem, der später aufstehen muss, denn die Entsorgungstruppe kennt keine Gnade. Sie rumpelt im Umkreis von 100 Metern jeden wach, der am Vorabend keine Stöpsel in die Ohren gesteckt hat. Spätestens zwischen den Jahren sehnt man die Abräumer aber herbei, auch wenn sie noch so einen Lärm veranstalten. Die überquellenden Mülltonnen werden an Feiertagen nämlich nicht geleert, so der auf einen turnusmäßigen Abholtag fällt. Und auch nicht am nächsten Werktag, nicht mal am übernächsten. Das Szenario für die anstehende Jahresendfeiertagssaison sieht für uns hier in der Gegend finster aus. Am 18.12. war die letzte Leerung. Der 25.12. – als nächster turnusmäßiger Abholtag – ist erster Weihnachtstag und genau eine Woche später Neujahr. Wenn es dumm läuft, und ganz bestimmt läuft es dumm, wird der Müll erst am 8.1.2019 wieder geleert. Klar stinkt mir das, und ich werde noch stinkiger auf den Klimawandel, denn der „scheint weiße Weihnachten zu verhindern“ wie die Experten von Wetter.com schreiben. Das bedeutet milde, geruchsfördernde Temperaturen und über Wochen stinkenden Müll, weil viele Mitbürger nicht nur die Verpackung ihres geschenkt bekommenen Home Trainers verklappen, sondern auch die Reste ihrer Festmahlzeiten. Womit ich (endlich) beim eigentlichen Thema bin: Resteverwertung.

Wie viel Nahrungsmittel wir hierzulande wegschmeißen, darüber hat der kompottsurfer mehr als nur einmal gebloggt. Nun fiel mir heute ein altes, handgeschriebenes Kochbuch meiner Oma in die Hände und erinnerte mich daran, mit welcher Selbstverständlichkeit und breiter gesellschaftlichen Akzeptanz früher Essensreste zu neuen Gerichten umgewidmet wurden. Alte Kochbücher enthielten sogar gesonderte Rubriken zu dem Thema. Ganz persönlich erinnere ich mich an die Verwertung von überzähligen Salzkartoffeln, die am nächsten Tag als sowas wie gebratene Gnocchi serviert wurden. Ich mochte das sehr, genauso wie die zu Suppe gestreckte Bratensauce, in der – bestenfalls – sogar noch übrig gebliebene Fleischfetzen schwammen.

Ist reichlich Fleisch übrig, wird ein Bratenbegräbnis fällig. So nannte man früher ein Auflaufgericht aus Resten von Rinderschmorbraten. Das Bratenfleisch wurde dafür zusammen mit einer gleichen Menge frisch gekochter Kartoffeln und rohen, geschälten Apfelscheiben in eine Auflaufform gefüllt und mit einem Gemisch aus Bratensauce, Ei und Saurer Sahne übergossen. Geriebener Käse obendrauf und ab damit zum Überbacken in den Ofen. Zu Senffleisch wurden Fleischreste verarbeitet, die man in Suppenfett und Bouillon einweichte, anschließend in einer Mischung aus Semmelbrösel, fein gehackten Zwiebeln, Petersilie, Salz und schwarzem Pfeffer wälzte und mit etwas Butter im Ofen aufbackte.

Übrig gebliebenes Fleisch aus Fondansatz oder Kraftbrühen wurde gerne zu Dominikanerschnitten veredelt, dafür in Scheiben geschnitten und mit einer Farce aus Sardellenbutter, Parmesankäse, Semmelbröseln, Eiern, Zitronenabrieb, Salz und Pfeffer bestrichen. Den letzten Schliff bekommen sie in der Pfanne gebraten und schließlich mit etwas flüssiger Butter und Madeira übergossen. Pannfisch kennt man vor allem in den küstennahen Regionen, wo es bis heute auf vielfältige Weise variiert wird. Im Kochbuch meiner Oma ist es aus Resten von Stockfisch gemacht, der entgrätet und gehäutet, dann feingehackt und schließlich mit gehackten Zwiebeln und in der Schale gekochten und anschließend geriebenen Kartoffeln in der Pfanne geschmort wird.

Und wenn die gierigen Fleischesser am Feiertag nur Kartoffeln übrig gelassen haben? Dann gibt’s entweder die erwähnten Pseudo-Gnocchi oder den Spionstopf. Ist kaum überliefert, das Gericht – was auch kein Wunder ist, bei dem Namen – aber wer es kennt, mischt dafür zermanschte Kartoffeln mit zerfetztem gekochten Schinken, bereitet eine Mehlschwitze zu und mischt sie mit Brühe zu einer Sauce. Der warme Kartoffel-Schinkenberg wird mit der Sauce übergossen, mit gehackter glatter Petersilie garniert und schließlich mit zwei obenauf gesetzten und wachsweich gekochten Ei-Hälften serviert. Die zwei Eier dürften auch den Namen erklären: Sie beobachten dich wie das Augenpaar eines Spions.

Der kompottsurfer wünscht allen Lesern restlos genussvolle Feiertage.

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