Keine Ahnung, wie viele Tortillas ich im vergangenen Jahr in den Ofen geschoben habe, aber ganz sicher waren es viel mehr als in meinem ganzen Leben davor. Was nicht nur daran liegt, dass ich bequemer geworden bin – Tortillas sind gut vorzubereiten und taugen als Heiß- und Kaltgerichte – sondern vor allem an der Unerschöpflichkeit möglicher Rezepturen. Ich bin ohnehin der Meinung, dass die Güte eines Gerichts in der alltäglichen Haushaltsküche – von der Qualität seiner Zutaten abgesehen – besonders von der Routine bei der Zubereitung abhängt. Wenn die Handgriffe sitzen und der Akteur am Herd Gedanken an Feinabstimmung und Varianten verschwenden kann, statt ständig Abläufe und Zutatenmengen im Kochbuch nachschlagen oder mit fettigen Fingern in einer App auf dem iPad herumtippen zu müssen, nur dann kann man in die Tiefen einer Zubereitung vorstoßen. Genau deshalb erinnern sich die meisten von uns so gut an Lieblingsgerichte aus Omas oder Mamas Küche – weil die über Jahre, ach was, Jahrzehnte perfektioniert worden waren und deshalb auch immer nahezu identisch gut gelangen. Keine Ahnung, in welchen kulinarischen Erinnerungen aus meiner Alltagsküche mein verwandtschaftliches Umfeld eines Tages schwelgen wird, wenn mein Gebrutzel dafür überhaupt mal reicht, aber zu den heißesten Kandidaten dürften Pfannkuchen, Risotto, Frikadellen, Hummus und Linseneintopf zählen, denke ich.
Was Tortillas angeht, wird es dagegen noch eine Weile brauchen, bis ich verlässlich abliefern kann. Immerhin, ich arbeite dran, und das mit Freude. Am Wochenende wandte ich mich einer vegetarischen Variante mit Rosenkohl zu. Der hat Hochkonjunktur im Moment, und ist so gut wie günstig beim Gemüsehändler meines Vertrauens zu haben. Zugegeben, ich bin kein wirklich großer Fan von Rosenkohl, vor allem, wenn ich ihn lediglich gekocht und nur in ganzen Kugeln vorgesetzt bekomme. Ich mag ihn am liebsten halbiert und geschmort, mit allerlei Zutaten aufgepeppt. So kam es also zu dieser Variante. Keine Ahnung, ob Tortilla de Coles de Bruselas in irgendeiner spanischen Provinz Kulturgut sind und ich ein kulinarisches Heiligtum gemeuchelt habe. Vielleicht frage ich bei Gelegenheit mal meinen Laufkumpel Miguel, der mit traditioneller spanischer Küche gut vertraut ist.
Meine Rosenkohl-Tortilla geht jedenfalls so:
Zutaten für 4 Personen
1 kg Kartoffeln (festkochend) // 500 g Rosenkohl // 200 ml Gemüsebrühe // 10 Bio-Eier (M) // 100 g Parmesan // 2 TL Scharfer Senf // 25 ml frische Vollmilch // 25 ml Mineralwasser (sprudelnd) // 1 EL Aceto Balsamico // 1 EL Sesamöl // Salz, Pfeffer, Olivenöl, Butter
Zubereitung
Backofen auf 150° C. vorheizen. Rosenkohl putzen und halbieren. Kartoffeln schälen und mit etwas Wasser abspülen. In 2 cm große Würfel schneiden, auf ein Trockentuch legen und kräftig abrubbeln.
2 EL Olivenöl mit etwas Butter in einen Stieltopf geben und auf halber Hitze erwärmen bis die Butter Blasen wirft. Rosenkohl zugeben und zugedeckt kontrolliert anbraten, sodass angenehme Röstaromen entstehen also nicht kohlrabenschwarz. Senf zugeben und kurz mit anbraten, anschließend Gemüsebrühe auffüllen bis die Rosenköhler knapp bedeckt sind. Bei kleiner Flamme zugedeckt 20 Minuten köcheln lassen. Vom Herd nehmen, Flüssigkeit abgießen, etwas Salz und das Sesamöl zum Rosenkohl geben und Topf beiseite stellen. Kartoffeln in der Pfanne wie Bratkartoffeln mit leichter Bräunung zubereiten.
Eier mit Milch, Wasser, Salz und Pfeffer in einer Schüssel homogen verrühren. Sobald die Bratkartoffeln fertig und gesalzen sind, werden sie vor dem Rosenkohl schichtweise in eine gefettete Auflaufform gegeben. Dazwischen den Parmesankäse einstreuen und den Balsamessig spurenweise verteilt aufträufeln. Eimasse einfüllen, Gemüse etwas andrücken bis alles von der Eimasse umgeben ist, und die Form in den vorgeheizten Ofen geben. Unter gelegentlicher Beobachtung ca. 30-40 Minuten garen lassen (gegebenenfalls länger) bis das Ei gestockt ist. Natürlich könnte man die Tortilla auch bei deutlich höherer Temperatur garen, nicht zuletzt als Zubereitung in der Pfanne auf dem Herd aber für meinen Geschmack geht darüber die Cremigkeit der Eimasse verloren. Schließlich die Tortilla nach Wunsch noch in der Form aufteilen und servieren.
Ach ja: Ob die Truppen unter Admiral Mendoza im Spanischen Winter anno 1589/99 mit Tortilla de Coles de Bruselas bei Kräften gehalten wurden, als sie auch Teile des Ruhrgebiets in Schach hielten, ist nicht überliefert. Gesichert ist aber, dass Rosenkohl erstmals exakt in eben dieser Zeit in den damaligen Spanischen Niederlanden (heute Belgien) angebaut wurde.
NACHTRAG: Die lange Garzeit des Rosenkohls erklärt sich mit meiner Abneigung des Mundgefühls im Ganzen gegarter Kugeln. Deshalb diese weichgekochte Variante. Wer es fest und im Ganzen mag, kocht sie nur 6-8 Minuten, je nach Größe.
Lieber Kompottsurfer, ich lese Ihre Beiträge sehr gerne, aber heute bin ich irriitiert – wie übrigens immer, wenn Rosenkohl länger als 7-10 MIn. gekocht oder geköchelt und dann noch weiterverarbeitet bzw. gebacken werden soll.
Ich hatte nach 20 Min. köcheln bestenfalls ungewünschtes Rosenkohlmus und tippe daher, dass die Zeitangabe irrtümlich gemacht wurde??!!
Hallo, danke für den Einwand, und ich weiß, was Sie meinen. Wie ich schon schrieb, bin ich kein großer Rosenkohlfan, was nicht zuletzt am Mundgefühl liegt. Ich mag es überhaupt nicht, in diese festen Kugeln zu beißen, Lieber schmore ich sie halbiert an, dass sie die schönen Röstaromen bekommen, ähnlich wie Kohlrouladen, und dann koche ich sie mit wenig Brühe tatsächlich recht weich. Wer auf festen Biss steht, ist mit 6-8 Minuten, je nach Größe und im Ganzen belassen, auf der sicheren Seite.