„Blut ist ein ganz besonderer Saft“, schrieb Goethe. Ob er dabei auch an den Saft von Blutorangen gedacht hat, ist jedoch nicht überliefert. Passen würde es, denn Blutorangen sind wirklich ganz besonders. Jedes Jahr muss ich höllisch aufpassen, den Einstieg in die kurze Saison nicht zu verpassen, weil ich süchtig bin nach ihrem außergewöhnlichen Aroma. Der Liebhaber giert nach Früchten aus Sizilien, wobei er unterschiedlichen Sorten zugeneigt sein kann. Sanguine/Sanguinello, Tarocco, Moro und Manica erkennt er sowohl an der Farbe ihres Fruchtfleischs als auch am Vorhandensein von Kerngehäuse und – natürlich – am Geschmack. Ich persönlich bevorzuge die Moro. Ihr Fruchtfleisch kennzeichnet ein besonders kräftiges Weinrot, aber das ist für mich nur Nebensache. Im Vergleich zu ihren Geschwistern betört mich das mehr an Säure und Bitterstoffen, dazu die aromatische Melange aus Orange- und Himbeernoten. Vor wenigen Tagen probierte ich die Sorten erstmals direkt nacheinander und fand meine Ansicht bestätigt. Moro ist meins.
Die klimatischen Bedingungen rund um den Ätna und die großen Temperaturschwanken zwischen Tag und Nacht, die dort im Winter herrschen, sind perfekt für Blutorangen, die zwar auch in Spanien und Florida angebaut werden, aber meinen Erfahrungen nach nicht in vergleichbarer Qualität zu haben sind, zumindest nicht hierzulande. Am besten plant man seinen Winterurlaub im Januar auf Sizilien und suchtet die Früchte gleich vor Ort weg. Aus Untersuchungen der Lebensmittelforschung ist nämlich bekannt, dass Lagerung dem Aroma von Orangen schadet, je länger desto fader.
Blutorangen enthalten besonders viele Anthocyane, wasserlösliche Pflanzenfarbstoffe, denen antioxidative Wirkung zugeschrieben werden. Wobei die tatsächliche Bioverfügbarkeit umstritten ist. Für meinen Geschmack sind die geringen Unterschiede zwischen Orangen und Blutorangen, bezogen auf die Inhaltsstoffe, kaum der Rede wert. Bei den Aromen aber sind sie gewaltig, finde ich. Und nicht vergessen: schnell wegessen die Dinger. Schon bald werden sie aus den Märkten wieder verschwunden sein.