Der Meister ist tot? Von wegen! Mag man seinen Körper auch zu Grabe getragen haben, vor nicht allzu langer Zeit, im Januar 2018 – seine Küche lebt weiter. Damit meine ich nicht die Fortführung seines Lyonner Restaurants durch Christophe Muller, der schon seit 1995 Küchenchef in der L´Auberge du pont de Collonges ist und über den der Gault Millau einst sinngemäß schrieb, Muller könne den Bocuse-Stil besser kochen als Bocuse selbst. Nein, ich meine die Rezepte, die er in seinen Büchern veröffentlicht hat und die vor vielen, vielen Jahren meinen Aktivitäten am heimischen Herd erstmals einen Hauch von Anspruch verleihen sollten. Überhaupt war Paul Bocuse schon immer ein Typ nach meinem Geschmack. Er hatte als junger Mann in der Résistance mutig gegen die Nazis gekämpft. Er galt als Teamplayer, der als gefeierter Küchenchef auch dem Spülpersonal Respekt entgegen brachte. Und er setzte auf eine regionale wie saisonale Küche mit frischen Produkten und meldete sich zu Wort, wenn ihm kulinarische Trends nicht passten. Als lebender französischer Nationalheld hatte seine Stimme Gewicht. Selbst die Vermarktung von Dosensuppe verzieh man ihm gnädig.
Das berühmteste Gericht von Paul Bocuse ist zweifellos La soupe aux Truffes V.G.E.. Eine Suppe aus Schwarzer Trüffel mit Blätterteighaube, die es sogar zu einem eigenen Wikipedia-Eintrag gebracht hat. Allerdings ist sie alles andere als ein leuchtendes Beispiel für eine vegetarische Rezeptur, auch wenn die Bezeichnung Trüffelsuppe durchaus danach klingt. Bei Bocuse jedenfalls finden sich unter den Zutaten reichlich Fleisch und Innereien.
Wer aber das 1977 erstmals erschienene Standardwerk von Paul Bocuse Die Neue Küche durchforstet (lobenswert übersetzt von Isabelle und Bernd Neuner-Duttenhofer), wird trotzdem mit einer spannenden Vielzahl Rezepten belohnt, die ohne Fisch, Fleisch und Geflügel auskommen. Erst neulich, als ich nach Kürbisrezepten Ausschau hielt, fiel mir wieder auf, wie groß die Auswahl vegetarischer Gerichte im Buch ist, obwohl das Wort vegetarisch nicht einmal darin vorkommt.
Mein aktuelles Lieblingsrezept aus dem Buch sind die Erbsen auf Französische Art, ein Püree aus grünen Erbsen, Kopfsalat und Lauchzwiebeln, aromatisiert mit einem Gewürzstrauß aus Petersilienwurzel, Thymian, Lorbeer und Bohnenkraut. Und was bei Bocuse nie fehlen darf: reichlich Butter.
Gestern versuchte ich mich an Möhrenpüree auf Basis von 400 g geputzten Möhren und 125 g Reis. Die Möhren werden zusammen mit dem Reis, 60 g Butter, einer Prise Salz (und eigentlich auch Zucker, den ich aber weg gelassen habe, die Möhren sind mir süß genug) in einen Topf verfrachtet. Anschließend wird so viel Wasser aufgefüllt bis das Gemisch gerade eben bedeckt ist. Das Ganze wird dann so lange sprudelnd verkocht, bis der Reis das Wasser komplett aufgesogen hat, was bedeutet, man sollte dem Herd während des Kochvorgangs nicht allzu lange fern bleiben und derweil Computerspiele zocken, weil sonst plötzlich Steinkohle im Topf ist statt Möhren-Reis-Gematsche. Die Masse soll anschließend durch ein Sieb gestrichen werden, was mir gestern zu mühselig war. Und ich sah das Unheil schon kommen, bevor ich mich entschied, anstelle der Sieberei den Stabmixer einzusetzen, hoffte aber trotzdem, dass die Sache gut gehen würde. Ging sie aber nicht. Statt dessen entwickelte sich der befürchtete zähe Brei, der auch mit reichlich Nacharbeit durch Montieren von Butter und Milch kaum aufzulockern war. Ich hätte das Zeug vielleicht durch eine Kartoffelpresse drücken sollen, wo mir das Sieben zu viel war. Ach ja: Hätte, hätte – Mopedkette.
Ich habe ein paar grob gewürfelte Croutons eingestreut und darf sagen, so bescheiden es aussah, so gut hat es geschmeckt. Mir jedenfalls. Einen zweiten Versuch mit Möhrenpüree verschiebe ich aber erst mal weit nach hinten. So ein großer Möhrenfreund bin ich nun auch wieder nicht. Statt dessen probiere ich’s wohl mal mit Béarner Garbure. Ja, ich weiß, da ist Gänsefleisch drin. Aber passt doch gut in den November. Übrigens: Paul Bocuse – Die Neue Küche gibt es noch immer zu kaufen, gebunden und als Taschenbuch. Es lohnt sich.
An alle food stylisten: Nein, ich mache keine Inszenierung aus meinen Alltagsgerichten. Die werden mehr hin- als angerichtet und nebenher mit dem Handy fotografiert, wenn ich’s vor lauter Hunger nicht vergesse.