Jahrelang war ich beim Lauftraining an ihnen vorbei gerannt, hatte ihre wuchtige Präsenz und ihre Hörner bestaunt, ihre Bäder in der mitunter starken Strömung der Ruhr bewundert. Und mich oft gefragt, wem die Tiere wohl gehören, die das ganze Jahr über da draußen zu sehen sind, und ob ihr Fleisch wohl irgendwo zu kaufen ist. Meistens hatte ich diese Gedanken aber nur unterwegs und daheim wieder vergessen.
Vor einigen Monaten traf ich nun den geschätzten Kollegen Peter Krauskopf auf dem Bochumer Wochenmarkt. Peter ist Slow-Food-Aktivist und profunder Kenner heimischer Erzeugnisse für genussvolles Essen und Trinken. Natürlich redeten wir auch über kulinarische Dinge, und da fielen mir diese Rindviecher wieder ein. Peter wusste Rat. Die Auerochsen gehören der Familie Schulte-Stade, die den Hattinger Schultenhof betreiben. Der Hof war mir zwar durchaus ein Begriff – der Gedanke, dass die Auerochsen auf deren Weideland grasen, war mir aber nicht gekommen.
Nun liegt der Hof gerade mal dreieinhalb Kilometer von daheim entfernt, ideal, um mit gesatteltem Laufrucksack hin zu joggen. Die Strecke ist wunderbar. Schon nach 700 Metern verlasse ich den Asphalt der Wohnsiedlung, durchquere das parkähnliche Gelände der einstigen Zeche Dahlhauser Tiefbau, folge einem kurzen Trail durch ein Waldstück, bevor ich – unweit der Ruhrauen – über den Pfad am Rande eines großen Ackers laufe, auf dem im Morgennebel mitunter Rehe, Greifvögel und Kaninchen zu sehen sind. Über ein letztes Stück Asphalt gelange ich zum Schultenhof, wo freitags und samstags Fleisch und Wurst verkauft wird. Eine weitere Einkaufsmöglichkeit besteht tagtäglich in der Hattinger Altstadt, aber mir ist der Einkauf dort nicht puristisch genug. Schnellen Fußes zum Hof gelaufen, lässt mich auch im Wolkenkuckucksheim umherschwirren, im Gefühl, ein Jäger zu sein, der sein Wild noch selbst erlegt.
Auch bei Schulte-Stade wird das Wild selbst erlegt. Chef und Chefin sind Jäger, und so wundert es nicht, dass auch die Auerochsen ihren Tod nicht im Schlachthaus finden, sondern draußen auf der Weide. Das erspart den Tieren reichlich Stress, denn bei Lebendtransport zum Schlachthof werden sie oft panisch. Und die reichlich ausgeschütteten Stresshormone kontaminieren das Fleisch. Nur wenige Auerochsen werden jährlich bei Schulte-Stades erlegt. Wer einmal in den Genuss dieses Fleisches gekommen ist, mag kaum mehr anderes essen. Schon im Rohzustand fühlt es sich anders an als herkömmliches Rindfleisch, die Textur wirkt fester und kompakter. Am vergangenen Wochenende war mal wieder Gelegenheit, ein Stück Ochse zu ergattern. Ich kaufte 600 Gramm von der Brust, garte sie nach einem leicht abgewandelten Rezept von Heiko Antoniewicz Sous-vide für 24 Stunden bei 68 Grad und servierte das Fleisch mit einer Meerrettich-Wasabi-Sauce, dazu gab’s Rosenkohl und Röstkartoffeln. Wunderbar. Und jetzt hoffe ich, von den Auerochsenbäckchen was abzubekommen, die es wahrscheinlich bald geben wird.
UPDATE (3.12.2019): Endlich gab’s auch die Bäckchen vom Auerochsen. Am Sonntag dann gleich mal als Schmorgericht in Rotweinsauce mit Wurzelgemüse und Kartoffelstampf serviert – geradezu suchterzeugend, dieses Fleisch.