Brot und Spiele leben weiter: Palazzo Dinner Show in der Spielbank Hohensyburg

Ideen können unerwartet lange Reisen antreten. In der Antike hatte Kaiser Trajan (*53 bis †117) seine 19-jährige Herrschaft mit der Überzeugung begonnen, das römische Volk durch zwei Dinge gefügig machen zu können: Getreide und Schauspiel. Vertraut man historischen Dokumenten, soll sein Volk tatsächlich gegiert haben nach panem et circenses (Brot und Spiele), was einige Dichter und Denker aus dieser Zeit übrigens als Zeichen moralischer Verderbnis deuteten.

Knapp 2.000 Jahre später, genauer gesagt im Dezember 1990, lud mich Hans-Peter Wodarz (HPW) zu einer Veranstaltung unter dem Titel panem et circenses nach München ein. Gemeinsam mit Roncalli-Chef Bernhard Paul und Sternekoch Alfons Schuhbeck hatte er ein Programm aus Kulinarik und Zirkuskultur ersonnen. Bespielt wurde ein historisches Spiegelzelt, das an diesem winterlichen Abend natürlich beheizt war. Ich war damals ein junger Kerl, der in den Jahren zuvor jeder Art moralischer Verderbnis – so fühlt es sich heute mit einigen Dekaden Abstand jedenfalls an – entschlossen entgegen getreten war. Friedensbewegung, Antifa – das volle Programm. Nun hatte ich aber schon eine Weile vom genussvollen Leben gekostet. Guter Wein, anspruchsvolle Küche, gehobene Gastromie waren mein Ding geworden. Und ich schrieb darüber in Magazinen wie PRINZ , Der Feinschmecker, ELLE und Essen & Trinken.

HPW, den ich kurz zuvor in seinem Wiesbadener Restaurant Die Ente zum Lehel kennengelernt hatte, hielt es damals offenbar für geboten, einen jungen, hungrigen Journalisten wie mich noch ein Stück weiter in die moralische Verderbnis rennen zu lassen und erzählte mir in einem Interview kurz vor der Show nicht nur, wie das Projekt Fahrt aufgenommen, sondern auch – mit wohl dosierter Zurückhaltung – welche Dinge er in der Gastronomie schon angestoßen hatte. Ich tat unbeeindruckt, wie man das so macht, wenn man jung ist, war es aber doch. Dieser Bursche schien die Erlebnisgastronomie der Moderne geschaffen zu haben, er hatte mit Typen wie Andy Warhol und Joseph Beuys Dinge ausgeheckt und für Politiker von Weltruhm gekocht. Er musste also eine Menge Dinge richtig gemacht haben in seinem Berufsleben.

Keine Sorge, ich breite die Einzelheiten aus dem Interview schon deshalb nicht weiter aus, weil ich mich kaum mehr daran erinnern kann. An die Show aber schon, denn die war richtig gut. Es brauchte gerade mal bis zur Vorspeise bis mir dämmerte, was Wodarz hier im Schilde führte: Er machte sich über die Welt der Schicki-Micki-Gastronomie lustig, zu deren Befeuerung er in den 1980er selbst beigetragen hatte. In der Show wurde der Gast nicht hofiert, er wurde angeschmiert. Die Ente im Hauptgang wurde unter der Speiseglocke aufgetragen, die sich aber mitunter als Gummiadler entpuppte. Ein Gast am Nebentisch erlitt beinahe einen Schock als er feststellen musste, dass ihm ein Kellner seine Rolex geklaut und scheinbbar zerdeppert hatte, und so ging das Schlag auf Schlag. Atemberaubende Artistik auf einem Gästetisch, Clownerie auf höchstem Niveau, beste Livemusik – es passte wirklich alles zusammen.

Seither gehören Dinner Shows in vielen deutschen Städten zum festen Programm in der Vor- und Nachweihnachtszeit. Auch das Ruhrgebiet ist in diesem Jahr wieder dabei. Ein weiteres Mal ist die Dortmunder Spielbank Hohensyburg Gastgeber einer Show, die in ähnlicher Manier über eineinhalb Jahrzehnte auf dem Gelände des Essener Jagdhauses Schellenberg ein Zuhause hatte, allerdings mit einem anderen Veranstalter. Palazzo heißt der Spaß in Dortmund, und hier hat wieder HPW seine Finger im Spiel, denn er berät den Ausrichter des Events, die Hamburger Palazzo GmbH. Zuletzt hatte ich mir Mitte der 1990er eine Dinner Show angesehen, nun also Dortmund.

Es war klar, dass mich der Zauber von damals nicht wieder würde einnehmen können. Deshalb bin ich auch gar nicht mit einer solchen Erwartung nach Dortmund gefahren. Der Veranstaltungssaal einer Spielbank ist eben kein historisches Spiegelzelt, und die besten der damaligen Starts des Roncalli-Ensembles sind einfach unerreicht. Ganz abgesehen davon ist so eine Dinner Show nichts Neues mehr. Und doch war ich neugierig. Das Menü ist immerhin von Sternekoch Michael Dyllong aus dem hauseigenen Restaurant Palmgarden kreiert worden und mit Anne-Marie Godin und Harley McLeis bestreiten zwei absolute Stars der Akrobatik einen Teil des Programms. Hier wurde ich nicht enttäuscht, wohl wissend, dass ein Essen für über 300 Personen im Rahmen einer Show nicht vergleichbar sein kann mit einem Menü im Palmgarden. Den vergnüglichsten Teil des Abends lieferte ohne Zweifel der kanadische Comedian Derek Scott. Ich musste mir wirklich einige mal den Bauch vor Lachen halten, und ich war an diesem Abend wahrlich nicht leicht zu bespaßen, woran mein Knie Schuld trug, aber das ist eine andere Geschichte.

Die Palazzo Dinner Show gastiert noch bis zum 12. Januar in Dortmund. Preise ab 93 Euro, Getränkepauschale kann für 23 Euro zugebucht werden. Wem keine sinnvollen Weihnachtsgeschenke für seine Liebsten einfallen, macht mit Veranstaltungskarten für diesen zweifellos kurzweiligen Abend sicher nichts verkehrt.

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