Ich wollte einfach nur raus. Raus aus dem Zimmer. Weg vom schnarchenden Nachbarn, der immerzu Besuch hatte. Und vor allem wollte ich größtmöglichen Sicherheitsabstand zum Essen, das man mir ans Bett stellte. Krankenhausaufenthalte sind ja schon aufgrund der zu kurierenden Ursache hart genug – wenn dann noch erschwerende Umstände zukommen, muss man als Patient doppelt tapfer sein. Nun sind für eine Kreuzband-OP, wie ich sie kürzlich zu überstehen hatte, drei bis vier Tage Aufenthalt im Krankenhaus üblich, aber beim Blick auf die Mahlzeiten fragte ich mich: Wie überlebe ich das so lange? Und ganz nebenbei: Wer soll so gesund werden?
Ich will das Gute nicht verschweigen, man hatte mir wirklich 1a Opiate gegen die Schmerzen serviert. Nur waren die leider wirkungslos gegen die Qualen, die mir Geruch und Geschmack des Essens bereiteten. Dazu diese Unmengen an Kohlenhydraten. Da kam so viel Süßes und Schweres auf die Tabletts, noch dazu übergart, dass ich mir schon ab Tag 1 von daheim Müsli mit frischen Früchten mitbringen ließ (unendlichen Dank für diesen Service!). Kaum war ich wieder zuhause (vorzeitig abgereist), erreichte mich eine Pressemitteilung der Helios-Kliniken. Helios startet neues Speisenkonzept mit Sterneköchen stand dort zu lesen. Zum Glück musste ich mich nicht ärgern, ich hatte in keiner Helios-Klinik gelegen, zudem startet das Programm erst im März 2020. Aber ich stellte mir schon die Frage, welchen Stellenwert ich dem Essen als Entscheidungskriterium für die Auswahl einer Klinik beimessen würde, sollte ich mal wieder hinein müssen. Dass Helios die Aktion nicht allein zum Wohle der Patienten, sondern auch als Werbebotschaft initiiert hat, darf man getrost annehmen. Es geht im Klinikgeschäft immer um Geld, um ertragreiches Wirtschaften, auch deshalb ist das Essen in den meisten Krankenhäusern so wie es ist: erbarmungswürdig.
Erbarmt haben sich nun einige Spitzenköche – vermutlich zwar nicht pro bono, aber immerhin – und stellen ihr Wissen und ihre Fähigkeiten in den Dienst des Patienten. Mit Nils Henkel, Thomas Bühner, Hendrik Otto, Juan Amador, Christoph Rüffer und Maike Menzel hat das Klinik-Unternehmen wirklich erstklassige Leute an Bord geholt. Unterstützt werden sie dabei vom Service-Experten Carsten Rath. „Gesunde Küche sollte immer auch köstlich sein. Daher finde ich es spannend, bei diesem Projekt meine Ideen beizusteuern“, sagt Nils Henkel und Thomas Bühner ergänzt: „Ich durfte bereits einige Erfahrungen in der Klinikverpflegung sammeln und konnte mich daher mit eigenen Augen davon überzeugen, wie wichtig eine gute Verpflegung im Krankenhaus ist. Schließlich dient gutes Essen dem Wohlbefinden – und damit auch der Genesung!“ Da stimme ich voll und ganz zu, und ich wünsche mir, dass die Aktion andere Kliniken zur Nachahmung bewegt. In den Genuss des besseren Essens sollen übrigens sowohl Privat- als auch Kassenpatienten kommen, gut so. Alles andere wäre wohl auch schwer zu vermitteln gewesen.
Nun ist es nicht das erste Mal, dass Spitzenköche antreten, Kantinenküche besser zu machen. Man denke nur an Jamie Oliver’s Engagement für besseres Schulessen, auch Tim Raue und Tim Mälzer haben sich in ähnliche Projekte eingebracht. Nun war es aber ausgerechnet Mälzer, der die Erwartung dämpfte, man könne über Schulkantinen eine gesunde Ernährung absichern: „Eltern dürfen nicht von einer Schulkantine erwarten, dass dort auf Restaurantniveau gekocht wird, wenn das Essen nur 2,50 Euro pro Portion kostet.“ Zumal es schwer sein dürfte, so Mälzer, Dienstleister zu finden, die damit klar kämen, nichts an ihrer Arbeit zu verdienen. Wenn ich das Kostenproblem auf das Vorhaben übertrage, Essen in Krankenhäusern besser zu machen, sind Zweifel angebracht, ob die Unternehmung nicht zum Scheitern verurteilt ist. Anders herum: Es ist Geld im System. Der Einsatz einer neuen Hüfte kostet ca. 7.500 Euro, da sollten doch für den Patienten die 6 Euro für ein saftiges Hüftsteak mit Salat locker drin liegen. Muss ja nicht unbedingt vergoldet sein.