Fastenzeit? Keine Zeit.

Keine Ahnung, ob es irgendwen interessiert – aber ich bin definitiv raus, wenn dieser Tage die Fastenzeit beginnt. Statt dessen werde ich weitermachen wie immer und so maß- wie lustvoll essen. Ostern werden mir dann die Hosen weder aus den Nähten geplatzt, noch auf die Arschritze gerutscht sein. Das Geld, das ich für den Einkauf passender Kleidung einspare, kann ich dann in eine gute Flasche Wein investieren. Damit könnte ich das Thema eigentlich abhaken, wenn da nicht die Neugierde wäre. Warum machen Menschen sowas überhaupt? Also fasten natürlich, nicht Wein trinken. Für Letzteres würden mir nämlich reihenweise Gründe einfallen.

Gefastet wurde schon bei den alten Griechen. Der Philosoph Empedokles, der im 5. Jahrhundert vor Christus lebte, ist daran nicht ganz unschuldig. Empedokles zählt zu meinen antiken Helden (aber nicht wegen des Fastens, nur um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen). Er war ein Vorkämpfer für die Demokratie, zudem ein aufmerksamer Naturforscher. Der im sizilianischen Akragas wirkende Grieche dachte schon damals in eine Richtung, die knapp zweieinhalb Jahrtausende später als Evolutionstheorie nicht nur die Biologie fundamental verändern, sondern in ihrem Sog auch religiöse Weltbilder ins Wanken bringen sollte. Sein Nachruhm liegt nicht zuletzt in der von ihm entwickelten Elementenlehre begründet, die auf den vier empedokleischen Grundelementen (Feuer, Erde, Wasser und Luft) aufbaut. Deren Eigenschaften wurden von ihm auch medizinisch zugeordnet, woraus später – nein, das ist jetzt überhaupt nicht lustig – die Humorallehre entstand (lat. humor: Feuchtigkeit bzw. Körpersaft).

Noch zu Lebzeiten des Empedokles begann der bis heute weltberühmte Arzt Hippokrates von Kos sein Wirken. Ihm wird viel Gutes zugeschrieben, vor allem Fortschritte in der Behandlung von Krankheiten. Aber gesichert und im Detail weiß man heute herzlich wenig darüber. Viel mehr dagegen über den Arzt Galenos von Pergamon (Galen), der Hippokrates‘ zugeschriebene Lehre von den Körpersäften weiterentwickelt und die Entstehung von Krankheiten aus dem Ungleichgewicht von Körpersäften (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle) sowie aus verschobenen Spannungszuständen im Gewebe herleitet. Um alles wieder ins Lot zu bringen und Krankheiten zu heilen, verordnete er unter anderem eine Umstellung der Ernährung, sowie Heilfasten und Bewegungstherapie. Aus heutiger Sicht ein sehr moderner Ansatz, mit Hipnessfaktor sozusagen.

Es mag Zufall sein, dass die Ursprünge des christlichen Fastens, die im zweiten Jahrhundert nach Christus vermutet werden, mit der Lebzeit von Galen zusammenfallen. Man darf allerdings vermuten, dass sein Wirken zu Zeiten und zu Diensten des römischen Kaisers Mark Aurel auch Spuren in der kleinen christlichen Glaubensgemeinschaft in Rom hinterlassen hat. Zumal Galen als Gladiatorenarzt arbeitete, und die von Mark Aurel teils brutal verfolgten Christen zu Gladiatorenkämpfen gezwungen wurden, so sie nicht ihrem Glauben abschworen.

Zu wissen, wie die vorösterliche Fastentradition entstanden ist, gibt natürlich noch keine Antwort darauf, wie sinnvoll Fasten aus heutiger medizinischer Sicht wirklich ist, inklusive psychologischer Aspekte. Beim Blick auf die Studienlage stellt man aber fest, dass Fasten tatsächlich eine Reihe positiver Effekte haben kann. So soll es bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen und chronischen Schmerzsyndromen stimmungsaufhellend wirken und die Wirksamkeit von Strahlen- und Chemotherapie verbessern. Außerdem gilt Wasserfasten als hilfreiche Maßnahme bei Bluthochdruck. Alles das bestätigt also die schon in der Antike gepredigte ärztliche Empfehlung des Fastens zur Behandlung von Krankheiten.

Da es Krankheiten egal ist, ob der Kalender gerade vorösterliche Fastenzeit oder Ramadan anzeigt, hebe ich mir das Fasten besser für die Zeiten auf, wo es mir helfen kann. Da bin ich ganz pragmatisch. Und wenn ich einmal tot bin, bleibt noch genug Zeit zum Fasten. Jetzt ist keine Zeit dafür. Meine Meinung. Jeder, der auch eine Meinung zum Thema Fasten hat, ist aufgerufen, an einer Befragung der Fernuniversität Hagen teilzunehmen. Die Wissenschaftler der FU wollen mehr über aktuelle Motive des Fastens erfahren und starten am Aschermittwoch eine Online-Befragung, die bis zum 30. April geöffnet ist.

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