Das Spargel-Bärlauch-Prinzip

Kürzlich erheiterte mich ein Beitrag des Zukunftsforschers Matthias Horx über Die Welt nach Conora. Horx entwirft darin ein erstaunlich positives Szenario über ein mögliches Geschehen nach der Corona-Krise. Für einen Moment gewundert habe ich mich allerdings über seine Frage, ob der Wein, der Cocktail, der Kaffee, wieder wie früher schmecken wird. Was für eine Frage! Warum sollte es nicht wie früher schmecken? Natürlich weiß ich, dass man als Infizierter zeitweilig das Geruchs- und Geschmacksempfinden verlieren kann. Aber auf dieser Spur ist Horx gar nicht unterwegs. Er will seine Leser in eine besondere Übung leiten, die er Regnose nennt: Worüber werden wir uns rückblickend wundern? Und nimmt sich die Freiheit des Autors, auf seine Fragen erst einmmal selbst zu antworten. Verzichte, so sagt er, „müssen nicht unbedingt Verlust bedeuten, sondern können sogar neue Möglichkeitsräume eröffnen. Das hat schon mancher erlebt, der zum Beispiel Intervallfasten probierte – und dem plötzlich das Essen wieder schmeckte.“

Ich bin zwar schon oft Intervalle gerannt, habe aber noch nie Intervall gefastet. Trotzdem ist mir einigermaßen klar, was Horx meint. Und vielleicht wird es nach Corona tatsächlich so sein, dass wir Dinge, von denen wir dachten, sie seien selbstverständlich, wie mit Freunden gemeinsam bei Tisch zu sitzen, zu essen und Wein zu trinken, wieder mehr zelebrieren werden. Ich will ehrlich sein: So viele schöne Dinge habe ich in der Vergangenheit nicht gemacht, weil ich dachte: kann ich ja immer machen. Von wegen. Jetzt schmiede ich schon Pläne, welche Freunde ich alle einladen und was ich für sie kochen werde, wenn Corona durch ist. Und mit welchen Weinen wir uns betrinken, weiß ich auch schon. Das hält mich aufrecht. Pläne schmieden ist wunderbar, erst recht, wenn sie mit kulinarischem Genuss in Gemeinschaft einhergehen.

Nun wird uns Corona aber wohl noch für eine Weile auf Abstand halten im Freundeskreis, zumindest physisch. Andere Dinge, von denen ich dachte: kann ich ja immer machen, kann ich jetzt tatsächlich endlich mal machen. So oft vorgenommen, so selten in die Tat umgesetzt. Wie Brot backen zum Beispiel. Oder Maracarons. Der geschätzte Kollege Bert Gamerschlag erinnerte mich mit seinem Beitrag über bevorratendes Einkochen im stern kürzlich daran, dass da auch noch Übungsfelder brach liegen, auf denen ich mich immer schon ausprobieren wollte, zumal in den Erbkochbüchern meiner Großmütter so viele reizvolle Beispiele zu finden sind. Als kleine Motivationshilfe für mehr experimentelles Engagement in meiner Küche hab‘ ich mir ein neues Kochmesser aus der Solinger Manufaktur Güde gegönnt, über die ich hier schon mal berichtete. Das gute Stück hat die Zwischengröße 16 cm, sowas fehlte noch im Arsenal, irgendwie. Man muss sich das nur lange genug einreden.

Ich nehme mir also für die nächste Zeit vor, konsequenter nach dem Spargel-Bärlauch-Prinzip zu leben. Das heißt: die Dinge machen, für die jetzt Saison, also Zeit ist. Wie Max Frisch einmal sagte: „Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“ Ich bin gespannt, ob ich meinen Experimenten katastrophalen Beigeschmack nehmen kann. Und sicher über das eine oder andere hier berichten.

Ein Gedanke zu „Das Spargel-Bärlauch-Prinzip“

  1. Hallo,

    Ich wußte nicht, daß Du von Deinen Großmüttern Kochbücher geerbt hast. Lohnt es sich, da mal reinzuschauen?

    Ich weiß nur, daß meine Mutter meistens Graupensuppe gekocht hat, schmeckte allerdings scheußlich.

    Viele Grüße
    Hans

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