Gehören Sie auch zu den bedauerns-werten Leuten, die als Kinder von ihren Eltern mit Zungen-brecherübungen traktiert wurden? Kaum hatte man auf einer langen Autofahrt zweimal „Wann sind wir endlich da?“ gefragt, schon wurde gekontert mit „Sag‘ mal ganz schnell ‚Fischers Fritz fischt frische Fische, frische Fische fischt Fischers Fritz‘.“ Oder: ‚Ich würgte eine Klapperschlang‘ bis ihre Klapper schlapper klang‘. Höchststrafe: ‚Blaukraut bleibt Blaukraut und Brautkleid bleibt Brautkleid‘. An all‘ das musste ich denken, als ich vor ein paar Tagen ein neues Rezept ausprobierte, ein japanisches Gericht mit dem Namen Okonomiyaki. Wie geschaffen für Zungenbrecherübungen. Schon bei meinem Mittagspausenlauf, Stunden bevor ich überhaupt mit dem Kochen anfing, bastelte ich an kapriziösen Satzkonstruktionen, als ob das Wort allein nicht schon schwierig genug wäre. Was besseres als „Onkel Colossus kocht Okonomiyaki ohne Kohlrabi“ fiel mir aber nicht ein. Und ich hoffte, dass meine Koch-, oder besser Backpremiere von Okonomiyaki besser gelingen würde als das Satzgebastel.
Offen gestanden kenne ich mich in der Japanischen Küche abseits von Sushi nicht aus, und selbst über Sushi rede ich nur als Grenzerfahrung am Rande der Ahnungslosigkeit. Von Okonomiyaki hatte ich jedenfalls noch nie gehört, bis ich im Internet nach internationalen Varianten von Pfannkuchen suchte. Dabei stieß ich auf eben jene Okonomiyaki, die auf Japans Inseln in unzähligen darauf spezialisierten Restaurants angeboten werden. Die Rezepturen sind ähnlich variantenreich wie bei uns und unseren niederländischen Nachbarn. Einige sind nach Herkunftsregionen benannt. So gibt es Okonomiyaki Hiroshima, die zunächst, ähnlich wie Crêpes, auf einer heißen Platte (Teppan) gebacken, dann belegt und schließlich mit gekochten Buchweizennudeln (Soba) auf Ei geschichtet gebraten werden. Jedenfalls so ungefähr. Die Osaka Okonomiyaki sind deutlich einfacher zu machen, sie werden – wenn die entdeckten Rezepte authentisch sind, was ich nicht beurteilen kann – mit Weißkohl in der Teigmasse gebacken. Klingt simpel, und mit der Erfahrung von hunderten Sonntagen, an denen ich traditionell Apfelpfannkuchen backe, sollte das eigentlich kein Hexenwerk sein.
Trotzdem war ich unsicher und beschloss deshalb, mich gar nicht erst an irgendwelchen Rezepten aus dem Netz zu versuchen, sondern gleich mein eigenes Ding zu machen. Da weiß ich wenigstens, dass der Teig tippitoppi ist. Außerdem erinnerte ich mich an einen Spitzkohlsalat, den ich oft zubereite, mit geraspelten Möhren, Pastinake und Ingwer. Damit war der zweite Teil der Rezeptur auch schon ausbaldowert. Alles zusammengerührt, zack, fertig. Sogar das Wenden durch Hochwerfen klappte tadellos, obwohl die Dinger schon was schwerer und voluminöser sind als die Pfannkuchen, die ich sonst so backe. Ganz kurzes Fazit: Ich bin jetzt Okonomiyaki-Fan.
Weil alles, offen gestanden, doch etwas aufwändiger als zack fertig ist, hier mein Rezept für Okonomiyaki im Detail:
Zutaten (für 4 große Pfannkuchen)
50 g Dinkelvollkornmehl, 50 g Dinkelmehl (1050), 50 g Buchweizenmehl, 375 ml frische Vollmilch, 4 Eier (M/L), 1 gehäufter TL Sesamsamen (geschält), 1 kleiner Spitzkohl, 1 Karotte, 1 kl. Pastinake, 50 g Ingwer (Stück), Butter, Sesamöl, 1 Msp. Salz, Muskatnuss, Pfeffer. Für das Dressing: 2 TL Meerrettich- oder 1 TL Wasabipaste, 3 EL Saure Sahne, 1 TL Honig, 1 EL Apfelessig, 2 EL Gemüsebrühe, Salz.
Spitzkohl waschen und ramponierte äußere Blätter wegpflücken. Da gute Stück halbieren und und den Strunk herausschneiden. Hälften nochmals halbieren und in dünne Streifen schneiden. In einen großen Topf geben, 4 EL Wasser dazu und bei geringer Hitze im zugedeckten Top garen bis das Volumen des Kohls um die Hälfte zusammengefallen ist. Möhren und Pastinake raspeln, Ingwerstück schälen und fein reiben. Alles zusammen mit einem Stich Butter zum Kohl geben, vermengen und gut fünf Minuten zusammen ziehen lassen. Vom Herd nehmen, salzen und auf Zimmertemperatur abkühlen lassen.
Eigelb und Eiweiß trennen. Zum Eigelb das Mehl, die Milch, Salz und eine Prise frisch geriebene Muskatnuss in eine große Schüssel geben und geduldig zu einer homogenen Masse verrühren. Sesam bei milder Hitze in einem kleinen Topf ohne jegliche Fettzugabe leicht anrösten und dazugeben. Eiweiß zu festem Eischnee aufschlagen und behutsam in die Teigmasse einarbeiten, damit ein schöner, voluminöser Teig entsteht. Anschließend, ebenso vorsichtig, die Gemüse unterziehen.
Alles Zutaten für die Sauce in eine kleine Rührschüssel geben und vermegen. Chose abschmecken und gegebenenfalls mit Süße, Schärfe, Salz oder Säure nachsteuern. Meine Mengenangaben sind ohnehin nur als grobe Orientierung zu verstehen, denn bei jeder Sauce bzw. jedem Dressing bastele ich hinten raus so lange an der Feinabstimmung herum, dass ich nachher nicht mehr genau weiß, wieviel wovon am Ende drin ist. Sehen Sie es mir nach.
Butter mit ein paar Spritzern geröstetem Sesamöl in eine Pfanne geben und bei knapp unter mittlerer Hitze flüssig werden lassen. Mit einer großen Schöpfkelle den Teig portionsweise in die Pfanne geben (ca. 2 Kellen pro Pfannkuchen) und so lange offen backen, bis auf der Oberfläche kein flüssiger Teig mehr steht und der feuchte Glanz einem matten Schimmer gewichen ist. Dann den Pfannkuchen – wenn nötig – vorsichtig losrütteln und per Überschlag wenden. Alternativ geht’s natürlich auch mit dem Pfannenwender, wobei die Unfallgefahr hierbei ebenfalls nicht zu unterschätzen ist.
Pfannkuchen vierteln und mit Dressing betupft servieren. Gleich den nächsten Okonomiyaki in die Pfanne geben, der in Ruhe backen kann, während man das erste Viertel vertilgt. Das Ganze drei Mal wiederholen bis die Tischgenossinnen und -genossen pappsatt auf ihre Bäuche klopfen.