Seit Jahren labern mir Experten im Fernsehen ein Magerkotelett anne Backe: Bloß kein fettiges Fleisch essen! Und keinen fetten Käse. Butter und dunkle Schokolade selbstverständlich auch nicht. Die gesättigten Fettsäuren, die da überall drin sind, sollen angeblich Herz-Kreislauf-Erkrankungen Vorschub leisten, heißt es. Tss. Mir kommt es vor, als orchestrierten da Genussfeinde ihr böses Werk: nämlich Leuten den Appetit verderben, in dem sie Gesundheitsgefahren vorschieben. Ich habe lange darüber nachgedacht, welche Verschwörung dahinter stecken könnte, aber nach endlos erscheinenden fünf Minuten gab ich ernüchtert auf.
So sehr mich die Genussfeinde nerven, so sehr feier‘ ich jede Meldung, die Genussmittel rehabilitieren. Ist das nicht eine allzu selektive Wahrnehmung, werden Sie vielleicht fragen? Unbedingt! Ich bin voll selektiv. Und das ist auch gut so, weil … ach‘ ist auch egal warum.
Neulich entdeckte ich eine aktuelle Meta-Studie über die Auswirkungen des Genusses gesättigter Fettsäuren. Die Autoren kommen darin zu der erstaunlichen Erkenntnis, dass die Zufuhr von Vollfettmilchprodukten, unverarbeitetem Fleisch, Eiern und dunkler Schokolade nicht mit einem signifikant erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen einhergehen. Noch interessanter fand ich die Schlussfolgerung, dass die gesundheitlichen Auswirkungen von Lebensmitteln nicht allein durch den Gehalt bestimmter Inhaltsstoffe prognostiziert werden können, sondern dass die Gesamtverteilung der Inhaltssstoffe zu berücksichtigen ist. Meine Rede seit 1848: Es gibt keine gesunden oder ungesunden Lebensmittel, es gibt nur eine gesunde oder ungesunde Lebensweise.
Der Ernährungsmediziner Prof. Dr. Hans Hauner sagte mir mal in einem Gespräch vor Jahren sinngemäß, dass Bewegung und Sport stärkeren Einfluss auf unsere Gesundheit haben als die Ernährung. Daraus den Umkehrschluss zu ziehen, es sei wurscht, was wir essen, kann allerdings nur Leuten einfallen, die nach Rechtfertigungen für ihre unüberlegte und unkluge Ernährungsweise suchen.
Gestern gab’s bei mir Koteletts vom Ruhrtaler Freilandschwein. Beim gelegentlichen Vorbeilaufen spreche ich die Schweine übrigens mit „Hallo, Euer Köstlichkeit“ an und bekomme meistens ein tiefes Grunzen zur Antwort. Die Koteletts sind reichlich von Fett durchzogen und mit einem fingerdicken Speckrand ummantelt. Der Geschmack ist grandios. Nur Genussverächter würden so ein Schweinekotelett gegen ein mageres Putenschnitzel eintauschen wollen.