Gulasch kochen muss kein Lotteriespiel sein: Alles über Fleischauswahl, Zutaten und Zubereitung.

Haben Sie als Kind auch Gulpopo gegessen? So hieß Gularsch, pardon, Gulasch damals bei uns im Ruhrgebiet. Und wo man es auch vorgesetzt bekam – es glich einem Lotteriespiel, ob man zähe und trockene Fleischfetzen erwischte oder zarte, saftige Stücke. Oft waren in ein und derselben Portion höchst unterschiedliche Qualitäten zu finden. Mal kaute man endlos wie auf Gummi und die Fasern blieben in den Zahnlücken stecken, mal zerging das Fleisch ganz sanft zwischen Zunge und Gaumen. Einer der Gründe dafür, neben zu hoher Gartemperatur: Wenn Metzgereien vorgeschnittenes Gulaschfleisch verkaufen, mischen sie oft unterschiedliche Reststücke aus verschiedenen Teilen des Rinds zusammen, die recht unterschiedliche Garzeiten und Sehnenanteile haben können. Nun kommt für Gulasch aber alles Fleisch zeitgleich in einen Topf, und schwuppdiwupps ist man in der Problemzone. Man kauft also besser nur Fleisch aus einem Teil des Rinds dafür ein.

Gestern stand bei mir mal wieder Gulasch auf dem Speiseplan, und dafür hatte ich schon Anfang letzter Woche einige Kochbücher durchblättert. Meistens orientiere ich mich grob an einem Rezept von Alfons Schuhbeck, aber ich habe auch schon Varianten von Heiko Antoniewicz und Paul Bocuse nachgekocht. Dieses Mal trieb mich die Neugierde um, wo die vielen Rezepte Schnittmengen aufweisen, und welche Unterschiede es gibt. Ja, und leck‘ mich fett am Gulpopo – es gab mehr Unterschiede als ich erwartet hatte.

Angefangen beim Fleisch. Da schwören viele Köche auf Rinderwade. Neulich war Björn Freitag im WDR zu sehen, wo er beim Landwirt meines Vertrauens (hier gleich um die Ecke) Wade vom Ruhr-Auerochsen für ein Gulasch einkaufte. Auch Heiko Antoniewicz bevorzugt für sein Rezept die Haxe, wogegen Paul Bocuse Schulternaht empfiehlt und Alfons Schuhbeck sowohl Schulter als auch Wade für geeignet hält. Im alten Kochbuch meiner Oma von Henriette Davidis dagegen (Praktisches Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche, 48. Auflage aus 1921) werden Ochsenlende und -rippe empfohlen.

Normalerweise kaufe ich Wade für mein Gulasch ein, weil das dort reichlich vorhandene Bindegewebe das Fleisch saftiger macht und die Bratenflüssigkeit auf natürliche Weise andickt. Dieses Mal entschied ich mich aber für Schulternaht, wobei ich noch nie eine Metzgerei finden konnte, die mit diesem Stück auf Anhieb etwas anzufangen wusste. Am Ende bekommt man meist irgendwas aus der Schulter. Als ich nun am Freitag das bestellte Fleisch im Hofladen abholte, ließ sich der Metzgermeister höchstpersönlich blicken und gestand, dass er Schulternaht erstmal googeln musste. Seit Jahrzehnten zerteilt man Rinder in Deutschland nach dem Schweizer Schnitt, erzählte er mir, die Schulternaht ist aber eine Variante vom Deutschen Schnitt, der ausgerechnet im Kochbuch des legendären französischen Maître Paul Bocuse zu finden ist.

Was zu einem Gulasch grundsätzlich dazu gehört, ist Paprika, wobei Bocuse es ausspart, und er das Gericht wahrscheinlich deshalb auch Rindsragout nennt und nicht Gulasch. Zwiebeln werden in allen Rezepturen verwendet, durchwachsener Speck in manchen. Würze können Paprikapulver, Kümmel, Majoran und Zitronenzeste oder ein Kräuterstrauss aus Petersilie, Thymian und Lorbeerblatt sowie Knoblauchzehen bringen. Gehört Wein auch rein? Also nicht nur in den Koch und die Mitesser, sondern zum Ablöschen der angebratenen Zwiebeln und Fleischstücke ins Essen? Ich war erstaunt, dass die meisten der von mir durchgeschauten Rezepte ohne Wein auskommen, halte es in dem Fall aber mit Bocuse, der 500 ml trockenen Rotwein zu 800g Fleisch gibt. Zumindest ungefähr, denn ich favorisiere Ruby Port als Löschwasser, 200 ml auf 1 kg Fleisch. Dagegen verzichte ich auf Rinds-, Kalbs- oder Hühnerfond und nehme stattdessen leichte Gemüsebrühe zum Aufgießen.

Bei der Zubereitung stehen viele Varianten zur Auswahl, die wichtigste Frage: Fleisch anbraten oder nur mit den Zwiebeln zusammen dünsten? Ich bin ein Fan von Röstaromen, und allein schon der Duft, den scharf gebratenes Fleisch in der ganzen Wohnung, ach was sag‘ ich, im ganzen Haus verströmt, macht mir schon irrsinnig Lust aufs Essen. Dabei gilt es nach dem Anbraten noch gut drei Stunden tapfer auszuharren, bis serviert werden kann.

Hier nun das Rezept für Gulpopo nach Art des kompottsurfers, in einer leicht suppigen Version. Gulpopo zählt übrigens zum offiziellen Wortschatz der Ruhrgebietssprache (Hömma, Lexikon der Ruhrgebietssprache, 1989, 3. Auflage):

Zutaten: 1 kg Rindfleisch (Wade) // 200 g Rote Zwiebeln // 750 ml Gemüsebrühe // 200 ml Ruby Port // 1 EL Tomatenmark // 2 Zehen junger Knoblauch // 2 EL guter Balsamico // Abrieb von einer unbehandelten Zitrone // Butterschmalz // 2 mittelgroße Möhren //  2 EL Bio-Weizenmehl // Kräuterstrauß aus Thymian, Petersilie und Lorbeerblatt // 2 TL Paprikapulver // 2 TL Salz

Zubereitung: Rindfleisch aus Kühlschrank und Verpackung nehmen, in 4 cm große Würfel schneiden und für 30 Minuten beiseite stellen, jedoch nicht in den Kühlschrank zurück. In der Zwischenzeit Zwiebeln pellen und vierteln. Möhren schälen und in 2 cm dicke Röllchen schneiden. Knoblauch pellen und zerdrücken und zusammen mit den Kräutern in ein Teefiltertütchen stopfen. In einer Schale Mehl, Zitronenabrieb und Paprikapulver vermischen. Backofen auf 90° C. Umluft vorheizen.

Großen und hohen Kochtopf mit dickem Boden zur Hand nehmen und auf großer Flamme einen fetten Stich Butterschmalz darin erhitzen. Etappenweise das Fleisch kurz und scharf anbraten, wieder entnehmen und beiseite stellen. Wenn alles Fleisch angebraten ist, Hitze minimieren und im leeren Topf die Zwiebeln zusammen mit den Möhren und dem Tomatenmark für wenige Minuten dünsten. Unbedingt darauf achten, dass nichts anbrennt, um Bitternoten zu vermeiden. Anschließend das Fleisch zurück in den Topf packen, die Mischung aus Mehl, Paprikapulver und Zitronenabrieb draufstreuen, vermengen und mit Balsamico und Portwein ablöschen. Sobald die Masse zu köcheln beginnt, Gemüsebrühe aufgießen bis alles Fleisch bedeckt ist, gegebenenfalls weitere Brühe oder etwas Wasser nachfüllen. Alles zusammen langsam, kurz und knapp zum Köcheln bringen. Hitze abschalten, Kräutertütchen zum Gulasch geben und den Topf mit Backpapier bedeckt in den vorgeheizten Backofen stellen und drei Stunden ziehen lassen. Eine halbe Stunde vor Ende der Garzeit das Salz einrühren. Vor dem Servieren das Kräutertütchen entnehmen, die suppige Sauce abschmecken und in großen, tiefen Tellern anrichten. Ich kombiniere das Gulasch gerne mit Kartoffelstampf (Rezept hier), das ich zuerst auf eine Hälfte des Tellers gebe. Daneben gieße ich dann das Gulasch an. Schließlich mit etwas gehackter Petersilie garniert servieren.

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner