Stielmus: Einfach köstlich und kostet fast nix.

Der Herbst hat kein Herz in 2020. Die ohnehin schwermütigste Zeit des Jahres wird uns angesichts von Corona-Gefahr und Kontakt-beschränkungen einiges zusätzlich abverlangen in den kommenden Wochen. Konnte man im Herbst sonst üblicherweise jede aufkommende Melancholie mit gemütlichen Treffen im Freundeskreis bei Zwiebelkuchen und Federweißem oder Martinsgans mit Grünem Veltliner abmildern, ist jetzt Alternativprogramm gefragt. Zumal mancher von uns für sein Resilienzkonto schon einen Überziehungskredit in Anspruch nehmen musste, über die letzten Monate seit Ausbruch der Pandemie.

Also, was tun? Mein Programm zur Stärkung des emotionalen Immunsystems besteht aus viel Draußen sein zum Laufen und Wandern, Trost in philosophischen Texten suchen und Gerichte kochen, die warm ums Herz machen. Wenn die Schönheit der Dinge in der Seele desjenigen lebt, der sie betrachtet, wie es der schottische Philosoph David Hume einmal so wunderbar formulierte, dann sollten wir unser Seelenleben jetzt auf die Schönheit der Dinge ausrichten. Dinge, bei denen nur das unbeschwerte Sein im erlebten Moment wichtig ist, Momente in die wir versinken können. Mir gelingt das beim Laufen in der Natur, beim Lesen, beim Kochen. Und da gibt es Gerichte, die besondere Wirkung haben, wo ich Heimat finden kann. Gerichte aus meiner Kindheit. Eines davon ist Stielmus-Durcheinander, wie es früher bei uns hieß. Ich koche es viel zu selten, aber als ich am Freitag im Laden einen großen Strunk mit frischem Stielmus entdeckte, wusste ich, was ich am nächsten Tag auftischen wollte.

Stielmus, anderswo auch Rübstiel oder Streppmaut genannt, ist ein kohlartiges Gemüse der Speiserübe mit einer feinen bittersüßen Note und leicht säuerlichem Geschmack. Statt es als Durcheinander mit Kartoffelstampf und Speck zu servieren, richtete ich es seperat und mit Spiegelei anstelle des Specks als vegetarische Variante an. Das hat den Vorteil, Kartoffeln und Gemüse sowohl getrennt wie auch nach eigenem Gusto vermischt genießen zu können. Im Grunde kommt die Zubereitung mit sehr wenigen Gewürzen aus: Butter, Salz, Schwarzer Pfeffer und frisch geriebene Muskatnuss – mehr braucht es gar nicht. Die Muskatnuss schafft eine wunderbare Verbindung zwischen allen Bestandteilen des Gerichts, weil  ihr Aroma auch solo zu Kartoffeln, Stielmus und Ei passt.

Zutaten (für 4 Personen)
1,25 kg Kartoffeln (vorwiegend festkochend)
1 großer Strunk Stielmus
4 Bio-Eier
75 g Butter, Salz, Pfeffer, Muskatnuss

Kartoffeln gründlich waschen und mit dem Sparschäler möglichst in einem Stück schälen. Die langen Schälstücke aufbewahren, Kleinzeug entsorgen. Sind die  Kartoffeln in der Größe deutlich unterschiedlich, die großen Exemplare in etwa auf das Maß der Kleinen schneiden, um einen einheitlichen Garzeitpunkt zu erhalten. Kartoffeln mit reichlich kaltem Wasser aufsetzen, Schalen zugeben und  20-25 Minuten (je nach Größe) leicht sprudelnd garen. Über einem Auffangtopf abgießen und Kartoffelschalen entsorgen. Kartoffeln mit der Presse in den Topf drücken. Ein wenig Flüssigkeit vom aufbewahrte Kartoffelwasser schluckweise zum Stampf geben, bis eine fluffige Masse entsteht. 50 g Butter beifügen und montieren und mit Salz und geriebener Muskatnuss abschmecken.

Während der Kochzeit der Kartoffeln Stielmus waschen und die grünen Blätter von den Strünken trennen. Strünke in fingerbreite Stücke schneiden, Blätter grob hacken. In einem großen Topf Wasser zum Kochen bringen, 1 TL Salz beigeben und dann zunächst die Strünke für 3 Minuten allein, dann eine weitere Minute zusammen mit den beigefügten Bättern blanchieren, wobei das Wasser knapp unter kochend gehalten wird. Gemüse in ein Abtropfsieb abschütten und mit kaltem Wasser abschrecken. Mit etwas Butter zurück in einen kleinen Topf geben, mit Salz, Pfeffer und Muskatnuss würzen, abschmecken und bei niedriger Hitze warm halten.

In einer mittelgroße Pfanne etwas Butter bei Drittelhitze zerlassen. Vier Eier wie Spiegeleier hineingeben und zunächst vier Minuten bei Drittelhitze zugedeckt, dann weitere zwei Minuten ohne Deckel garen. Eier salzen. Kartoffelstampf in tiefe Teller geben, Stielmus daneben platzieren und darauf die Spiegeleier setzen.

Das Gericht kostet übrigens fast nix, außer etwas Zeit und Geduld bei der Zubereitung. Und regionaler geht’s auch kaum.

Weinempfehlung: Ich habe einen 2018er Riesling Kabinett trocken vom Weingut Didinger (Mittelrhein) mit Genuss dazu getrunken. Alternativ passt sicher auch trockener Goldmuskateller gut, aber das muss ich erst noch testen bei nächster Gelegenheit.

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