Deutsches Kochbuchmuseum Dortmund: Fleisch als Kulturgut. Wie Tiere zu Lebensmitteln werden.

Verdammte Haxe. Da hatte ich mir Ende letzten Jahres vorgenommen, dem Deutschen Kochbuchmuseum Dortmund endlich mal den so oft verschobenen Besuch abzustatten, da riss mein Kreuzband. Statt mich also dort mit Experten über ein Forschungsprojekt zu unterhalten, das erklären könnte, wie Fleisch über die Jahrhunderte zu jenem entbluteten Konsumgut wurde, das eine industrielle Fleischproduktion mit Massentierhaltung entfesselte, schnitt ein Chirurg in meinen Gelenk herum, trennte ein paar Sehnensegmente der Oberschenkelmuskulatur ab und baute sie im Kniegelenk wieder ein. Eine alles andere als unblutige Maßnahme, wie ich beim Blick auf den gut gefüllten Drainagebeutel erkennen konnte, der mir – samt Schlauch – am Bein hing.

Ja, ich weiß, was Sie jetzt denken: Igitt, muss der das so genau schildern? Nein, muss ich nicht. Und Jamie Oliver hätte den Schulkindern in seiner legendären TV-Show nicht erklären und demonstrieren müssen, wie Chicken Wings gemacht werden. Zur unschönen Wahrheit des Fleischessens gehört aber nun mal, dass Tiere dafür sterben müssen. Für unsere Großeltern war die Wertschätzung für ein Stück Fleisch auf dem Teller ungleich höher als für uns heute – weil sie die Schlachtung von Rindern, Schweinen und Hühnern noch aus eigenem Erleben kannten. Es wurde alles gegessen, was das Tier hergab.

Wenn ich mich heute umhöre und frage, wer Panhas mag, ernte ich oft entweder ein Schulterzucken der Unkenntnis oder angewiderte Mimik. Für typisches Panhas wird nämlich die Brühe, in der man Würste kocht – die durch Reste geplatzter Würste recht fettig ist – mit Salz, Pfeffer und Piment gewürzt und mit Buchweizenmehl und Schweinblut zu einer teigigen Masse vermengt und gebraten. Für viele Mitmenschen eine reichlich unappetliche Vorstellung. Es existieren übrigens verschiedene regionale Varianten von Panhas, es war eben Resteverwertung. Es sollte nix umkommen vom umgekommenen Tier.

Mir gefällt, dass das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) nun ein Verbund- und Forschungsprojekt „Fleischwissen“, fördert, das – wie es etwas sperrig heißt, mit die „Verdinglichung des Lebendigen mit dem Kulturgut Fleisch“ in den Blick nimmt. Wie werden Tiere zu Lebensmitteln? Wie sehen die Orte der Zerlegung aus, welche Arten der  Zubereitung und des Konsums gibt es? Und natürlich landet man schnell bei der Frage, wie sich der Umgang mit Tier und Fleisch in unserer Gesellschaft verändert hat über die Jahrhunderte. Und welche Art Fleisch wir in Zukunft essen werden, angesichts von Umweltzerstörung, Tierleid und Fehlernährung.

Obwohl mein Knie längst wieder in Ordnung ist, habe ich es noch immer nicht ins Kochbuchmuseum geschafft. Aber sobald die Corona bedingte Schließung aufgehoben ist, werde ich mich dort mal umschauen und das Gespräch mit den Experten vor Ort suchen.

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