Nein, es ist heute nicht der 1. April, und zu Späßen bin ich in diesen Zeiten ohnehin nicht aufgelegt. Kaum kribbelt es in der Nase, kratzt es im Hals oder setzt ein Staubkorn ein Niesen frei, denke ich sofort: Verdammt, könnte vielleicht Corona sein. Sie sollten meine Sorgenfalten sehen – so tief wie Bruchstellen im San-Andreas-Graben. Immerhin funktioniert Belustigung als Selbsttherapie noch. Eine Impfdosis Fußballerzitate reicht bei mir für fünf bis sechs Tage. Geht ungefähr so: „Wir sollten jetzt nicht den Sand in den Kopf stecken.“ (Lothar Matthäus) // „Man darf jetzt nicht alles so schlecht reden, wie es war.“ (Fredi Bobic) // „Das wird alles von den Medien hochsterilisiert.“ (Bruno Labbadia) // „Wenn wir hier nicht gewinnen, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt.“ (Rolf Rüssmann) // „Ich bin Optimist. Sogar meine Blutgruppe ist positiv.“ (Toni Polster) // Ich hatte noch nie Streit mit meiner Frau. Bis auf das eine Mal, als sie mit aufs Hochzeitsfoto wollte.“ (Mehmet Scholl).
Lachen Sie schon? Nein? Au Backe, dann hat es Sie noch schlimmer erwischt als mich. Dann hilft nur noch Lateinunterricht aus Das Leben des Brian, zumindest bei mir, wenn es mal ganz schlimm ist.
Gestern Abend, meine Impfdosis Fußballerztitate war fast aufgebraucht, stieß ich im Netz auf eine Meldung über eine Gerichtsentscheidung, die einen Lachflash auslöste, der die Wirkung meiner letzten Impfdosis mindestens zwei Tage strecken sollte. Im Urteil wird einem Versandhändler untersagt, Sägemehlkekse zu verkaufen. Das Karlsruher Verwaltungsgericht folgte in seiner Entscheidung einer entsprechenden Verfügung der Stadt Karlsruhe. In der Urteilsbegründung heißt es: „Die Kekse dürften nicht in Verkehr gebracht werden, weil es sich dabei nicht um sichere, sondern zum Verzehr durch den Menschen objektiv ungeeignete Lebensmittel handle. Das konkret vom Kläger verwendete Sägemehl sei ein Füll- und Trägerstoff für technische Anwendungen und werde noch nicht einmal im Futtermittelbereich eingesetzt. Weiter sei das vom Kläger als Zutat verwendete Sägemehl als Lebensmittel neuartig, ohne aber auf der Positivliste für zugelassene neuartige Lebensmittel nach der sog. Novel-Food-Verordnung der Europäischen Union aufgeführt zu sein.“
Mein erster Gedanke als der Lachanfall nach dem Lesen vorüber war: Da hat einer die vegane Verkaufsmasche konsequent zu Ende gedacht. Nicht so ein fauler Kompromiss wie gehackte Reiswaffeln als veganes Mett zu verkaufen. Groß denken! Denn im Grunde geht Essen doch auch ohne Lebensmittel. Hauptsache, es steht vegan drauf. So sehr ich nach wie vor davon überzeugt bin, dass vegane Ernährung nur deshalb so populär geworden ist, weil sie für die große Lebensmittelindustrie lukrative Möglichkeiten bietet, hochverarbeitete Lebensmittel mit dem vermeintlichen Gütesiegel „vegan“ adeln zu können, da keine tierischen Zutaten drin sind, so sehr lag ich mit meiner Vermutung daneben. Der Streit zwischen dem Händler und der Stadtverwaltung, der dem Urteil vorausging, schwelte nämlich schon lange vor dem Vegantrend, gut zwanzig Jahre. In diesem Zeitraum sollte es so eine Frage zumindest einmal bis zum Bundesverwaltungsgericht und wieder zurück schaffen, selbst im Zeitlupentempo unserer überlasteten Gerichtsbarkeit. Aber nein, wir reden hier von einer erstinstanzlichen Entscheidung.
Je länger ich über die Sägemehlkekse nachdenke, umso mehr vergeht mir das Lachen. Wenn derart offensichtlich ungeeignete Produkte im Markt für Lebensmittel landen und über zwei Dekaden unbehelligt unter die Leute gebracht werden können, dann schwant mir nichts Gutes, ob der Dinge, die vermutlich noch da Draußen lauern. Von den bekannten Gefahren durch Bakterien in Milch, Geflügel und Co. ganz abgesehen. Reicht für heute, ich brauche jetzt dringend eine kleine Impfdosis Fußballerzitate: „Links ist ähnlich wie rechts, nur auf der anderen Seite“ (Patrick Funk).