Rezept misslungen, Koch genervt: die versemmelte Zwiebelsuppe.

In Lyon schätzt man diese Suppe besonders am Abend und isst sie zu Hause oder mit Freunden nach dem Theater, las ich in der Anmerkung zum Rezept der Lyonner Zwiebelsuppe (Gratinée Lyonnaise), das von keinem Geringerem stammt als Paul Bocuse. Und schon fragte ich mich, was man eigentlich in Bochum nach einem Besuch im Schauspielhaus so isst? Für mich war immer Gratinée Fiege erste Wahl. Ähnlich flüssig wie Zwiebelsuppe, nur kalt im Glas serviert und mit einer schönen weißen Haube oben drauf. Sind in einem Zug runtergespült, die ersten 0,3 Liter. Aber was konnte ich schon wissen. Ich bin immer mehr Kino- als Theaterbesucher gewesen. Und das, obwohl wir in Bochum ein erstklassiges Theater haben. Bin halt Hochkulturbanause, außer beim Essen vielleicht.

Aber zurück zur Zwiebelsuppe, zum Abendessen gestern. Kann ja nicht so schwer sein, die ordentlich hinzubekommen, dachte ich. Auch wenn ich mich an meine letzte Zubereitung nicht mal mehr schemenhaft erinnern konnte. Vermutlich spielte der VfL Bochum da noch in der ersten Bundesliga, und das ist, wie Eingeweihte wissen, schon eine Weile her. Bevor ich mit der Arbeit anfing, kramte ich drei Kochbücher mit Zwiebelsuppenrezepten aus dem Regal: Paul Bocuse – Die neue Küche // Jamie Oliver – Essen ist fertig! // Henriette Davidis – Praktisches Kochbuch. Lyon, London, Sprockhövel – das sind die Wirkungsstätten der Autoren, die drei Jahrhunderte Kochkunst repräsentieren.

Ich war nicht sicher, welche Art Zwiebelsuppe ich überhaupt kochen wollte, deshalb verglich ich die Rezepturen in den Büchern und stellte fest, dass sowohl Zutatenliste als auch Zubereitung unterschiedlich waren. So hantierten Bocuse und Davidis mit Eigelb zum Abbinden, Jamie aber nicht. Am Bocuse-Rezept gefiel mir, dass Madeira rein sollte, wobei mir das Verhältnis Wasser/Brühe zu Zwiebeln sehr seltsam vorkam. Nur 600 Gramm Zwiebeln auf 2,5 Liter Wasser plus ein Gläschen Likörwein? Würde ziemlich dünnflüssig werden, das Ganze, aber Bocuse gab Mehl dazu, und ich überlegte, ob die Suppe dadurch zumindest etwas mehr Stand bekommen könnte. Auch das Eigelb solle zum Abbinden beitragen, heißt es in dem Rezept. Und was macht Jamie? Er nimmt für satte 1 Kilogramm Zwiebeln gerade mal 1,25 l Brühe. Ach ja, Frau Davidis fehlt noch, Süddeutsche Zwiebelsuppe, Mitte 19. Jahrhundert: Man nehme drei große Zwiebeln und „so viel Brühe, als man Suppe zu haben wünscht“. Klingt nach einem alten Lieblingsspruch meines Vaters: „Mach‘ noch Wasser in die Suppe, die Verwandten kommen!“

Und was machte der kompottsurfer? Erstmal ein dummes Gesicht. Um dann zu entscheiden, dass er es nach dem Rezept von Paul Bocuse versuchen wollte. Aber Halt! Wie sagt Meister Yoda? „Tue es, oder tue es nicht. Es gibt kein Versuchen.“ Ein Narr, der noch Ralph W. Emersons Motto folgt: „Das ganze Leben ist ein Versuch. Je mehr Versuche du durchführst, desto besser.“ Wäre das ganze Leben ein Versuch, wie viele Versuche könnte ich wohl daran vornehmen? Ja, okay, ich schweife ab.

Also, Lyonner Zwiebelsuppe. Vorbereitung kein Problem. Zwiebeln schneiden, Weißbrot schneiden, Kräuterstrauß aus Lorbeerblatt, Petersilie und Thymian in einen Teebeutel geben, Eigelbe trennen, 250 g Käse (am besten Gruyère) reiben, 2 EL Mehl und ein kleines Glas Madeira bereitstellen (das allerdings mit Port gefüllt war, weil Madeira – so man keinen Vorrat hat – nicht auf die Schnelle im Supermarkt um die Ecke zu bekommen ist). Der Rest ist schnell erzählt: Zwiebeln in einer Pfanne mit reichlich Butter anschwitzen, anschließend mit Mehl bestäuben und leicht anbraten. Dann zusammen mit dem Kräuterstrauß in einen großen Topf mit 2,5 l Wasser geben, salzen, pfeffern und für 30 Minuten auf Drittelhitze leicht blubbernd köcheln lassen. Teebeutel mit Kräutern entfernen und den ganzen Klumpatsch durch ein Sieb passieren oder eine Flotte Lotte drehen.

Nun sollte die Suppe noch mal abgeschmeckt, dann in eine feuerfeste Suppenterrine umgefüllt und mit zuvor im Ofen getrocknetem Weißbrot sowie dem Käse bestreut werden. Ab in den vorgeheizten Ofen damit (Oberhitze bzw. Grill), und so lange drin lassen, bis der Käse geschmolzen und die Haube goldgelb geworden ist. Die Eigelbe mit dem Wein vermengen und beim Servieren so unter die Zwiebelsuppe mischen, dass sie leicht abbindet.

So weit, so schlecht. Am Ende geschah, was ich befürchtet hatte. Die Suppe war viel zu flüssig geblieben und die Käse-Semmel-Haube komplett durchweicht. Auch geschmacklich blieb die Suppe einiges schuldig, vor allem das Zwiebelaroma. Glücklicherweise hatte ich zwei große Schöpfkellen der passierten Suppe aufgehoben, die ich am nächsten Tag mit zwei hauchdünn in Streifen geschnittenen und zuvor in Mehl und Butter angeschwitzten roten Zwiebeln aufkochte und 30 Minuten ziehen ließ. Ein Schuss Madeira rein und siehe da, wunderbar sämig und schmeckte prima. Wie das mit der Brot-Käse-Haube klappte? Müssen Sie meinen Vater fragen, dem hab‘ ich die Suppe samt Semmel-Käse-Mix zum Aufstreuen als Abendessen geliefert. Immerhin: Bisher kam noch keine Beschwerde. Wasser wird er sicher nicht zugegossen haben. Verwandtenbesuche in Corona-Zeiten fallen entweder klein oder ganz aus.

Mein Fazit: Die nächste Zwiebelsuppe wird frei Schnauze gekocht.

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