Normaler Weise wird der Guide Michelin für den Gast geschrieben. „Den einzigen Zweck, welchen wir mit der Veröffentlichung unseres Führers verfolgen, ist derjenige, unserer werten Kundschaft dienlich und angenehm zu sein,“ heißt es in der ersten Ausgabe für Deutschland/Schweiz, die vor 111 Jahren erschien. Aber was ist schon normal gewesen in den letzten zwölf Monaten seit Beginn der Corona-Pandemie? Selbst in den fürchterlichen und leidvollen Jahren der beiden Weltkriege gab es keinen derartigen Lockdown für die Gastronomie. Und da wundert mich jetzt nicht, dass die Inspektoren des Guide Michelin, trotz monatelang geschlossener Restaurants, alles dafür getan haben, auch eine Ausgabe 2021 zu bewerkstelligen. Nicht nur für den Gast, sondern ausnahmsweise wohl auch ganz besonders für die Gastronomen. „Wir möchten mit unseren Empfehlungen gerade in einer so schwierigen Phase den Fokus auf die Gastronomie lenken und sie unterstützen. ….. Der Guide MICHELIN ist ein Bekenntnis zur Gastronomie. Daher auch unsere Bitte: Besuchen Sie Restaurants, sobald dies wieder möglich ist,“ sagt Ralf Flinkenflügel, Direktor des Guide Michelin Deutschland und Schweiz.
Aber konnte man Restaurants überhaupt fair bewerten im Corona-Jahr? Ja, das konnte man. Nur gefühlt hatte die Gastronomie 2020 nahezu dauerhaft geschlossen, tatsächlich war sie über Zweidrittel des Jahres geöffnet, wenn auch unter erschwerten Rahmenbedingungen. Die aber haben viele Spitzengastronomen nicht als Anlass zum Jammern sondern als Herausforderung verstanden. Und überhaupt: Für mich war die Gastronomie die kreativste Branche im Corona-Jahr 2020. Warum also sollte man ihr keine Sterne verleihen?
Besonders erstaunlich, wenn man reihenweise Streichungen aufgrund von Schließungen erwartet: 25 Restaurants wurden neu ausgezeichnet. Dazu kommt die Wiederaufnahme der Schwarzwaldstube in Baiersbronn mit drei Sternen. Das Restaurant war im Januar 2020 abgebrannt und im Laufe des Jahres als temporaire Schwarzwaldstube improvisiert neu aufgebaut worden. 24 Häusern wurden die Sterne komplett gestrichen. Dazu kommen zwei Herabstufungen, das Restaurant Klaus Erfort in Saarbrücken (von 3 auf 2) und das Becker’s in Trier (2 auf 1).
Ein Ausrufezeichen hat die Spitzengastronomie in Dortmund gesetzt. Sage und schreibe 3 der 25 deutschlandweit mit einem Stern neu ausgezeichneten Restaurants sind dort verortet. Womit es jetzt vier Sternerestaurants in Dortmund gibt, so viele wie noch nie zuvor. Über die neuen Sterne, die sich jetzt zum Restaurant Palmgarden (Casino Hohensyburg) gesellen, schreibt der Guide Michelin: „…. Einer davon ging an das Restaurant der Schneider, in dem Chef Phillip Schneider seine weltoffene Küche zum Besten gibt. Ebenfalls mit einem Stern geehrt wurde das Iuma. Hier sorgt Küchenchef Pierre Beckerling für eine spannende Fusion aus japanischen und europäisch-mediterranen Einflüssen. Sehr lohnenswert ist auch ein Besuch in Grammons Restaurant. Dirk Grammon, bekannt aus der Villa Suplie in Werne, ist dort mit finessenreicher klassisch-basierter Küche auf Erfolgskurs.“
Einen Stern verloren hat das Laurushaus im Essen-Kettwiger Schloss Hugenpoet. Während der Pandemie hält man das Restaurant dauerhaft geschlossen, weshalb sich Küchenchefin Erika Bergheim entschloss, in Zukunft eigene Wege zu gehen. Dem Vernehmen nach wird sie bald das Restaurant Pierburg im Essener Süden übernehmen.
Insgesamt kann sich der Sternenhimmel über dem Ruhrgebiet sehen lassen. Einschließlich des von mir ins gefühlte Ruhrgebiet eingemeindete Velbert-Kuhlendahl (zweieinhalb Kilometer Luftlinie sind ja nix) , kommt die Region auf ein Restaurant mit 2 Sternen (Rosin, Dorsten) sowie 10 mit einem Stern (Dorsten: Goldener Anker // Dortmund: Palmgarden, der Scheider, Iuma, Grammons Restaurant // Essen: Hannappel, Schote // Haltern am See: Ratsstuben // Velbert: Haus Stemberg // Xanten: Landhaus Köpp).
Seit 2020 werden vom Guide Michelin auch Grüne Sterne für besondere Nachhaltigkeit verliehen. Zu den 18 bisherigen, erhielten weitere 35 Restaurants in Deutschland diese Auszeichnung für ihr Engagement. Für Gäste soll es – laut Michelin – ein hilfreicher Hinweis sein, Gastronomiebetriebe zu entdecken, die Umwelt- und Ressourcenschonung in den Fokus ihrer Küche und ihres Handelns gerückt haben.