Vor dem Wacholder soll man die Knie beugen und vor dem Holunder den Hut ziehen, sagt ein Sprichwort. Ganz ehrlich: Ich sehe keinen Grund, vor dem Wacholder in die Knie zu gehen, aber vor dem Holunder zieh‘ ich tatsächlich meinen Hut. Wobei ich – nebenbei erwähnt – mit Kopfbedeckungen jeder Art völlig bescheuert aussehe. Egal ob es sich dabei um einen Strohhut, ein Base Cap, eine Wintermütze oder eine Mörderduschhaube handelt. Aber nehmen wir mal an, ich wäre momentan mit Hut unterwegs – ich würde ihn in Holunderstrauchnähe schon deshalb ziehen, weil dessen Äste oft in Kopfhöhe über dem Weg hängen. Und mit Flecken von geplatzten Holunderbeeren auf dem Hut sieht man erst recht scheiße aus.
Immerhin eignet sich so ein Hut prima zum Sammeln der Beeren. In diesem Jahr war die Erntemenge allerdings so reichlich, dass selbst ein eimergroßer Stahlhelm von Hulk beim Sammeln ratzfatz voll gewesen wäre. Dagegen mickerten die Brombeeren, die sich ihre Wuchsplätze gern mit dem Holunder teilen, nur vor sich hin. Vielleicht war das Frühjahr zu kalt und der Sommer zu nass – jedenfalls blieben Größe und Reife der Brombeeren weit hinter meinen Erntehoffnungen zurück.
Obwohl ich Marmeladen und Gelees nur in sehr seltenen Ausnahmefällen esse, macht mir die Herstellung große Freude – immer angespornt von der Herausforderung, einen hohen Gelierungsgrad mit möglichst geringer Gelierzuckersüße zu erreichen. Das ist bei den Holunderbeeren im Grunde leicht zu schaffen, wenn man die Samenkerne mitgelieren lässt. Nur weckt das knirschende Mundgefühl beim Essen schlimme Kindheitserinnerungen. Wenn am Strand verwehte Sandkörner das Flutschfingereis kontaminierten, man aber trotzdem tapfer weiterlutschte.
Ohne Samenkerne ist eine zuckerarme Gelierung schwieriger zu bewerkstelligen. Ich versuchte es zunächst mit Apfelschalen, die ich braun werden ließ, damit sie mehr Pektin bilden können. Wobei ich Äpfel von einem alten Baum aus dem Garten meines Vaters nutze, die noch nicht überzüchtet sind. Da eingekochte Holunderbeeren einen geringen Säureanteil aufweisen, passt die Säure des Apfels übrigens auch geschmacklich sehr gut. Zum Gelieren reichte es aber leider nicht. Also gab ich noch etwas Gelierzucker dazu, zumal ich die in gängigen Rezepten empfohlene Menge nicht mal zu einem Drittel ausgeschöpft hatte. Was sich nun tat, war … nichts! Mehr Gelierzucker wollte ich aber nicht verklappen, also gab ich noch etwas Bio-Apfelpektinpulver zu. Nach einiger Standzeit zog die Masse endlich an. Abgeschmeckt hab‘ ich das Holunderbeergelee mit etwas Saft und Zestenabrieb von einer Bio-Limette. Da ich’s selbst nur selten esse, wurde die Produktion zum größten Teil verschenkt. Bisher kam noch keine Rückmeldung. Keine Ahnung, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen ist.
Was Schwarze Holunderbeeren so besonders macht, ist nicht allein der erdig-fruchtige Geschmack, sondern auch ihre Heilkraft. Wie einige andere Früchte enthalten sie einen hohen Anteil des Antioxidans Quercetin mit 170 mg/kg, das – laut einer Studie der LMU München – Tumorzellen eindämmen kann. Roh sollten die Beeren aber nicht gegessen werden, da sie heftige Verdauungsstörungen verursachen können.