Höchste Zeit für Bärlauchpfannkuchen

Wenn Spargel ein Saisongemüse ist, dann ist Bärlauch – um im Fußballbild zu bleiben – ein Spieltagsgemüse. Kaum ist er da, ist er wieder weg.

Während der Anteil wildwachsenden Spargels am Gesamtertrag nahe Null liegen dürfte – die meisten Spargel-freunde würden ihn vermutlich nicht mal erkennen, wenn sie daran vorbeilaufen, mich eingeschlossen – wird Bärlauch immer noch hauptsächlich in der freien Natur gesammelt. Klar, man kann ihn im Blumenkasten auf dem Balkon ziehen, und manchmal wird er auch im Supermarkt angeboten, aber meistens wohl doch irgendwo in der Wildnis gepflückt.  Bevor jemand fragt, nein, ich hab‘ dazu keine verlässlichen Daten finden können. Ist nur so ein Bauchgefühl.

Wie auch immer, jetzt ist wieder Spieltag für Bärlauch. Im Familiengarten wächst er an vielen Stellen, und das, obwohl er nie dort ausgesät wurde. Einfach rübergeschneit von irgendwo, das gute Zeug. Ich mach‘ oft Bärlauchpesto draus und seit neuestem auch Bärlauchpfannkuchen. Und so sah er aus, mein erster Versuch …

Zutaten für 5 kleine Pfannkuchen (18 cm Pfanne): 140 g Mehl (50-50 Dinkel und Buchweizen), 3 Eier (Größe L, bei M oder S auch 4 Eier), 350 ml frische Vollmilch, 60 g Bärlauch, 50 g Parmesan, 1. TL süßer Senf, Kalamata-Oliven, Datteltomaten, Blattsalat (Sorten nach Belieben), Gartenkresse, Pinienkerne, Olivenöl, Balsamico, Salz.

Zubereitung: Bärlauch abspülen und in der Salatschleuder trocknen. Blätter von den Stängeln pflücken, beiseite legen und Stängel entsorgen. Mehl mit der Milch in eine Schüssel füllen. Eier trennen und das Eigelb zu Mehl und Milch, das Eiklar in eine zweite Schüssel geben. Eiklar zusammen mit einer Prise Salz wahlweise mit einem Schneebesen oder einem Handrührgerät fest schaumig aufschlagen. Anschließend Milch, Mehl und Eigelb homogen verrühren und schließlich mit dem Eischnee so vermengen, dass der Teig noch sein Volumen behält.

Salat waschen und trockenschleudern, Datteltomaten halbieren, Oliven entkernen und dabei etwa hälftig mit den Fingern zerfetzen. Pinienkerne in einer Pfanne oder einem Stieltopf bei Drittelhitze goldbraun rösten. Aus Olivenöl, Balsamico, süßem Senf und etwas Salz eine Vinaigrette anrühren (Verhältnis Öl-Essig 3:1) und unter den Salat ziehen. Parmesan mit einem feinen Hobel (z.B. Microplan) reiben. Alles bereitstellen zum Anrichten, auch die Gartenkresse.

Olivenöl in kleinen Pfannen bei mittlerer Hitze erwärmen, dann erst die Teigmasse zugeben. Wenn die Teigoberfläche nicht mehr feucht glänzt, können die Pfannkuchen entweder per freihändigem Salto oder mit Hilfe eines Pfannenhebers gewendet werden. Vorher durch vorsichtiges Rütteln testen, ob die Pfannkuchen nirgendwo am Pfannenboden festpappen. Auf die andere Seite drehen, Parmesankäse darüber streuen und sobald der geschmolzen ist, die Pfannkuchen auf flache Teller gleiten lassen.

Nun, so gut es die eigenen gestalterischen Fähigkeiten zulassen, Salat mit allen anderen Zuaten auf den Pfannkuchen anrichten (bei mir ist es meist ein Hinrichten) und schließlich mit einem Lächeln servieren.

Kompottsurfers Wein-Tipp:
2021 Sauvignon Blanc // La Motte // Frenchhoek (Coastal Region), Südafrika
Preis: ca. 11 Euro (Fl., 0,75)

SOLIDA(H)RITÄT: Wie Winzer und Weintrinker helfen können

Auf Facebook las ich (zugegeben reichlich spät) über die von Dirk Würtz initiierte Spendenaktion, mit der eine Reihe namhafter Winzer aus Deutschland, die vom Hochwasser um Ernte und Inventar gebrachten Kolleginnen und Kollegen an der Ahr unterstützen. Sie stellen Überraschungspakete mit Weinen aus ihrem eigene Bestand zur Verfügung und lassen den Erlös in Not geratenen Ahr-Winzern zukommen.

Wer die Aktion unterstützen will, kann hier bestellen.

15 Jahre Kompottsurfer: Essen und Trinken zwischen Ethik und Ästhetik.

Walter Serner wird gerne zitiert, wenn es Jahrestage zu feiern gibt. Der von den Nazis 1942 ermordete Schriftsteller war Zeit seines viel zu kurzen Lebens ein wacher Geist gewesen, mit reichlich Humor und Verstand. Er schrieb einmal: „Es gibt wohl kein schmerzlich-schöneres Wort als Jubiläum. Es trägt die Arbeit vieler, vieler Jahre auf den Armen und über seinen Augen hängt es wie Wehmut.“

Passt zum 15-jährigen Jubiläum des Kompottsurfers. Nur darf dazu auch eine dadaistische Pointe Serners nicht fehlen: „Ich würde mich freuen, zu hören, daß diese Seiten der LETZTE Mist sind, der geschrieben wurde. Ich würde mich sehr freuen.“

Nur mit Selbstironie ist dieser Blog über so lange Zeit durchzuhalten gewesen. Manchmal wende ich mich ab mit Grausen, wenn ich meine Überschriften lese, so wie die zu diesem Text. Aber ich will sie trotzdem stehen lassen. Was für ein gequirlter Bullshit und nicht mal suchmaschinenoptimiert. Zu meiner Entschuldigung im vorliegenden Fall ist zu sagen, dass ich gerade Søren Kierkegaards Entweder Oder lese. Über zig Seiten wird da eine ethische Lebensweise einer ästhetischen gegenübergestellt. Der Typ macht mich irre. Aber ich kann das Buch nicht beiseite legen und sagen: Kapier‘ ich sowieso nicht, was der schreibt. Jeden Morgen zum Frühstück gebe ich mir also ein paar Seiten davon und freu‘ mich, wenn da Sachen stehen, die ich nachvollziehen kann. So wie die: „Je köstlicher das Fluidum ist, mit dem ein Mensch sich berauscht, um so schwerer kann er geheilt werden. Der Rausch ist schöner, und die Folgen scheinbar nicht so verderblich. Wer sich im Branntwein berauscht, merkt bald die bösen Folgen, und kann auf Rettung hoffen. Wer aber seinen Durst in Champagner löscht, der wird schwerlich geheilt. “ Ein Beispiel, mit dem Kierkegaard (unter seinem Pseudonym Victor Eremita) die Schwierigkeit beschreibt, sich von der Eitelkeit des Genusses – und weiter gefasst: der ästhetischen Lebensart – lösen zu können, um vielleicht doch noch auf den ethischen Pfad der Tugend zu gelangen.

Deshalb also diese Überschrift zum Jubiläum. Wahrscheinlich hätten Søren Kierkegaard heute – 177 Jahre nach dem Erscheinen von Entweder Oder –  Essen und Trinken allein gereicht, um ethische und ästhetische Lebensweisen gleichermaßen kontrovers auszuleuchten. Nur einfacher wäre das für ihn vermutlich nicht geworden. Im Gegenteil. Essen und Trinken sind heute  so viel mehr als einfach nur Ernährung oder Rauschmittel, zum Beispiel Religionsersatz, Haltung, Gesundheitsthema und Distinktionsmittel (was nicht nur phonetisch irgendwie an Desinfektionsmittel erinnert).

Nun lasse ich die letzten 15 Jahre vor meinem geistigen Auge vorbeiziehen – als derjenige, der den Blog über all‘ die Zeit gefüttert hat.  Und sehe ein großes Schwanken. Zwischen genussvoller Ästhetik und verantwortungsbewusster Ethik. Zwischen Gänsestopfleber aus dem Périgord, Nierenzapfen vom ganzjährig freilebenden Auerochsen vor meiner Haustür in den Ruhrwiesen und Kunstfleisch als mögliche Alternative zu alledem. In Frankreich ist die Stopfleber Nationales Kulturerbe mit über 2.000-jähriger Tradition und sogar ausgenommen vom Tierschutzgesetz. In Deutschland ist das Stopfen freilaufender Gänse nicht zulässig, dafür wird eine barbarische Massentierhaltung praktiziert, wo schließlich das Fleisch der Rinder, Schweine und Hühner in Fleischfabriken von armselig bezahlten Arbeitern zerlegt wird, die dichtgedrängt in menschenunwürdigen Baracken leben.  Eine Heuchelei sondergleichen. Auch so etwas möchte ich sichtbar machen.

Mein großes Schwanken ist mir durchaus bewusst. Einerseits lebe ich gerne genussvoll, andererseits will ich mich nicht meiner Verantwortung für den Erhalt unserer Ressourcen entziehen, auch um der Zukunft kommender Generationen Willen. Ich lebe nicht mit dem Anspruch, diesen Widerspruch aufzulösen, aber damit, ihn aushalten zu können. Sonst würde ich verrückt werden. Kann man nicht wollen, sowas.

In dieser Tradition des Schwankens sehe ich den nächsten Jahren des Bloggens voller Zuversicht entgegen. Komme, was wolle.

 

 

Bundeskompetenzen: Was ein zehn Jahre alter Lebensmittelskandal mit dem Corona-Krisenmanagment zu tun hat

So zäh meine aktuellen Inventurarbeiten an diesem Blog auch sind – wann, wenn nicht jetzt, nach dem Umzug, abgekoppelt vom eingestellten rewirpower-Portal, wären Bestandsaufnahme und Aufräumen angebrachter. Ins Nichts führende Links aktualisieren, Bilder neu verknüpfen, die sich dem Export verweigert hatten, und überhaupt: einfach mal schauen, was man in den letzten 15 Jahren so alles geschrieben, recherchiert und fabuliert hat.

SARS-CoV-2 (CDC-23312)Und das kann mitunter erhellend sein. So stieß ich heute auf ein blogpost vom 22. November 2011. Damals hatten wir in Deutschland gerade die EHEC-Epidemie überstanden, bei der 50 Todesopfer zu beklagen waren. Der Bundesrechnungshof sah sich aufgrund des schlechten Krisenmanagements zur Erstellung eines Gutachtens veranlasst. Titel: Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes. Schon im Vorwort heißt es: Die Dioxin- und EHEC-Geschehnisse des Jahres 2011 haben das Vertrauen der Bevölkerung in die Wirksamkeit des staatlichen Risikomanagements beim gesundheitlichen Verbraucherschutz beeinträchtigt.“

Nun haben wir es bei Corona mit einer Pandemie zu tun, einer anderen, viel extremeren  Bedrohungslage, keine Frage. Und doch hätte ein Blick in das Gutachten helfen können, Problemfelder frühzeitig auszumachen, die jetzt „das Vertrauen der Bevölkerung in die Wirksamkeit des staatlichen Risikomanagements“ unterminieren, um es im Behördensprech zu sagen.

Was aktuell so viele Bundesbürger erzürnt, ist der Flickenteppich aus Maßnahmen und Vorschriften, der mit föderaler Entscheidungshoheit gestrickt ist. Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin ein Anhänger föderaler Strukturen, nur scheinen die in Katastrophenlagen vieles katastrophaler zu machen, statt besser.  Die Verfasser des Gutachtens haben das Problem schon damals in der EHEC-Epidemie erkannt und benannt:
„Bei der Frage, welche staatliche Ebene zuvorderst in der Pflicht ist, orientiert sich der Bundesbeauftragte an den Leitgedanken des Subsidiaritätsprinzips. Dieses gewährt den Ländern im föderativen Staatsgefüge einen generellen Zuständigkeitsvorrang vor dem Bund. Eine „Hochzonung“ von Verantwortlichkeit ist aber erforderlich, wenn die Ziele einer Verwaltungsmaßnahme nicht ausreichend auf Länderebene und besser auf Bundesebene erreicht werden können. Der Bund hat durch permanentes Monitoring zu beobachten, ob die Lebensmittelüberwachung durch die Länder die grundrechtlich verbürgten Rechtsgüter Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit ausreichend schützt. Ergeben sich Anhaltspunkte für Mängel in sicherheitsrelevanten Bereichen, die die Länder – systembedingt – nicht mehr lösen können, muss der Bund selbst Abhilfe schaffen.

Auch die Corona-Ausbrüche in zahlreichen Fleischfabriken aufgrund schlimmer Mitarbeiterausbeutung, wären wohl vermeidbar gewesen, hätte der Gesetzgeber das Gutachten nicht nur zur Kenntnis, sondern auch ernst genommen. So wurde angeregt, die „Eigenkontrollsysteme effektiver zu gestalten und deren Erkenntnisse stärker für die amtliche Überwachung zu erschließen … Qualitätsstandards für Eigenkontrollen zu stärken … Pflicht zur Dokumentation von Eigenkontrollen zu konkretisieren … Potenziale der nationalen Leitlinien für gute Verfahrenspraxis auszuschöpfen und Eigenkontrollen unabhängig von Betriebskontrollen verstärkt begleitend zu überwachen …“

Das Gutachten hätte aufrütteln und eine Strukturdebatte zum allgemeinen Krisenmanagement anstoßen können und sollen. Hat es leider nicht.

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