Kopf sagt: Sport. Bauch sagt: Currywurst. Studie sagt: Wir sind zu fett.

Ich war mal wieder im Profi-Grill. Beste Pommesbude zwischen Westkapelle und München. Mindestens. Die legendärste sowieso. Inhaber Raimund Ostendorp lernte das Kochen im Parkhotel Krefelder Hof. Nach vielen Jahren im Job und Stationen im Chez Alex (Köln), Schu’s Restaurant (Hannover) und Im Schiffchen (Düsseldorf) hatte er eines Tages genug von dem ganzen Schnickschnack (obwohl er selbst immer noch gerne Sternerestaurants besucht) und übernahm den Imbiss von Kurt Kotzlowski an der Bochumer Straße in Wattenscheid. „Kulinarischer Abstieg in die Kreisliga“ nennt er diesen Wendepunkt seines Berufslebens bis heute. Gut 30 Jahre ist das her. Den Schritt bereuen musste er nie. Und für einen Mann aus der Kreisliga hat er über diese Zeit verdammt viel Medieninteresse geweckt. Alle großen Fernseh- und Radiosender waren schon da, das Boulevard sowieso. Und welchem Koch widmet man in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung schon eine ganze Seite? Ich war 1992 zum ersten Mal im Profi-Grill und schrieb darüber im Stadtmagazin PRINZ. Seither komme ich mehrmals im Jahr vorbei, vertilge Doppelpommes Mayo und scharfe Currywurst, und meistens serviert mir Raimund dazu noch ein Schälchen mit hausgemachten Krautsalat.

Als ich nun neulich bei ihm aufkreuzte, hing an der Stelle, wo früher die Seite aus der Frankfurter Allgemeinen im Glasrahmen ausgestellt war, eine Spruchtafel: Kopf sagt: Sport. Bauch sagt: Currywurst. Ich musste augenblicklich an einen Satz denken, den ich am Morgen in Slavoj Žižeks Buch Hegel im verdrahteten Gehirn gelesen hatte: „Die Widerspruchsfreiheit eines Axiomensystems kann nicht aus diesem selbst abgeleitet werden. Aber bevor ich mir darüber stümperhafte Gedanken machen konnte, saß Raimund schon bei mir und meinem Sohn am Tisch, fragte den Nachwuchs (den er schon als Baby kennengelernt hatte) nach dem Befinden und gratulierte ihm zum gerade erfolgreich absolvierten Mathe B.Sc..

Wie allen anderen Gastronomen, die ich seit Ende der Corona bedingten Schließungen traf, ist auch Raimund anzumerken, wie sehr er es genießt, endlich wieder leibhaftig mit seinen Gästen plaudern zu können. Nachdem wir alle wichtigen Themen durch hatten, fragte er, ob ich Nachtisch will. Manchmal nehme ich tatsächlich noch eine Pommes Mayo extra, aber an diesem Tag wollte ich das meinem Fettspiegel  nicht zumuten. Corona hat seine Spuren hinterlassen. Zu viel Essen, zu viel Wein, zu wenig Sport.

Dabei bin ich mit meinen eineinhalb Kilogramm über Jahresdurchschnitt noch verdammt gut dran. Wenn am 19. Oktober der Food Environment Policy Index 2021(Food-EPI) für Deutschland vorgestellt wird, werden wir hören, dass 15 Prozent aller Todesfälle und mehr als 17 Milliarden Euro Gesundheitskosten pro Jahr in Deutschland auf unausgewogene Ernährungsmuster zurückzuführen sind. Und mehr als ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung starkes Übergewicht hat. Tendenz steigend, nicht zuletzt verstärkt durch die Corona-Situation der letzten 18 Monate.

Nach einer Untersuchung des Else-Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin (EKFZ) in Zusammenarbeit mit Forsa, haben 39 Prozent der repräsentativ Befragten während der Pandemie im Durchschnitt 5,5 Kilo zugenommen. Das Problem allein auf die Ernährung zu schieben, greift allerdings viel zu kurz. Denn die lesenswerte Studie zeigt auch, dass 52% der Befragten angaben, sich weniger bewegt zu haben als vor Corona. Wie mir der an dem Projekt beteiligte Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. med. Hans Hauner mal vor Jahren in einem Gespräch verriet, sei in der Bevölkerung die Bedeutung der Ernährung zumindest mit Blick auf die Ursachen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Vergleich zu mangelnder Bewegung lange überschätzt worden. Eine überwältigende Anzahl Studien zeigten nämlich, dass Bewegung der Schlüssel zur Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist.

Interessant dazu liest sich auch eine Untersuchung von Forschern des College of Health Solutions der Arizona State University in Phoenix. Wer gesundheitliche Risiken vermindern will, sollte – ich vereinfache das mal sehr – den Fokus nicht auf Gewichtsreduktion legen, sondern auf Bewegung und Sport. Das sei erfolgversprechender. Entspricht absolut meiner Erfahrung. Meine eineinhalb Kilo mehr gehen übrigens definitiv auf das Konto von weniger Bewegung. Gegessen und getrunken hab‘ ich nämlich so viel wie sonst auch.

Wurde auch Zeit: Endlich dürfen wir Mehlwürmer essen. Aber was zum Teufel ist Ento-Vegan?

Mehlwürmer – die Zukunft nachhaltiger Ernährung?

Als zwei Studenten aus Osnabrück im Jahr 2015 einen Burger aus Insekten schufen, war das Produkt einem sicheren Platz im Supermarktregal so nah wie Annalena Baerbock einer Kandidatur zur Kanzlerin. Aber so wie die Menschen in Deutschland mehr und mehr eine grünere Zukunft herbeisehnen, ist auch die Akzeptanz von Produkten wie Insektenburger als umweltfreundlicher Fleischersatz gestiegen. Und es gibt sie längst bei REWE zu kaufen.

Die industrielle Fleischproduktion hat den Konsum nachhaltig entblutet. Portionsgerecht zurechtgeschnitzelt ist Nahrungsmitteln ein tierischer Ursprung kaum noch anzusehen. Und das dürfte von den Großfleischereien auch so gewollt sein. Der Konsument soll ja nicht mit Gewissenbissen seine Zähne ins Kotelett hauen. Das würde nur auf den Appetit und damit auf den Umsatz schlagen.

Würden die Bundesbürger wohl noch die gleiche Menge Fleisch vertilgen, wenn sie die Tiere selbst schlachten müssten? Ich halte das für wenig wahrscheinlich. Eher steigt der Respekt vor dem Tier, und man lernt alles schätzen, was so ein geschlachtetes Rind oder Schwein hergibt. Vom Blut über die Innereien bis zu den Haxen.

In 2008 berichtete ich hier erstmals darüber, welche Folgen Massentierhaltung für das Klima hat. Und natürlich gehört auch diese Frage auf den Tisch, wenn es um umweltfreundliche Zukunftsgestaltung geht. Nun hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) vor wenigen Tagen die Zulassung des Gelben Mehlwurms (Tenebrio molitor larva) als neuartiges Nahrungsmittel im Rahmen der Novel-Food-Verordnung beschlossen. Es ist damit das erste durch die Verordnung offiziell genehmigte Insekt seit deren Einführung in 2018. Zwar durften auch vorher schon Insekten als Nahrungsmittel verkauft werden, aber nur deshalb, weil sie bis dahin nicht als neuartig galten. Das änderte sich erst mit der Verordnung. Aber weil man nicht alle bereits auf dem Markt befindlichen Produkte auf einen Schlag verbieten wollte oder konnte, dürfen Erzeugnisse im Rahmen einer Übergangsfrist auf Antrag so lange weiter verkauft werden, bis eine endgültige Genehmigung der EFSA erfolgt ist. So entkam  auch der Insektenburger der Bug Foundation den Tentakeln der Bürokratie.

Nun sind wir an einem Punkt angekommen, wo wir die in vielerlei Hinsicht schlimmen Folgen großindustrieller Fleischproduktion nicht mehr übersehen können. Corona hat uns noch mal vor Augen geführt, dass neben den Tieren auch Menschen ausgebeutet werden in diesem Geschäft. Die Bilder von eingepferchten Rindern, Hühnern und Schweinen haben wir alle im Kopf. Dazugekommen sind jetzt noch die Bilder von dicht an dicht in engen Kühlräumen arbeitenden Schlachtern, die ihren Schlaf in stallartigen Behausungen finden müssen, zusammengedrängt mit vielen ihrer Kollegen.

Aber haben Nahrungsmittel auf Basis gezüchteter Insekten tatsächlich eine realistische Chance als Alternative zum Fleischkonsum? Ich bin da skeptisch, zumindest für Deutschland. Und das liegt nicht zuletzt an unserer kulturellen Prägung. Klar, Insekten haben ernährungsphysiologisch einiges zu bieten, aber wir essen nun mal mehr nach Gefühl als mit dem Verstand. Selbst wenn dem enbluteten Konsum von Fleisch der entgliederte Konsum von Insekten folgt, die man pulverisiert zu Burgern transformiert, werden wir an den ursprünglichen Inhaltsstoffen kaum vorbei denken können, vermute ich.

Und dabei ist die wichtigste ethische Frage noch gar nicht gestellt: Können Insekten Schmerz empfinden? Neueren Forschungen zufolge können sie das sehr wohl, und ehrlich gesagt wundert mich das auch nicht. So haben Wissenschaftler der Universität Sydney mit einer Arbeit über Nervenverletzungen bei Fruchtfliegen gezeigt, dass sich bei den Tieren akute und chronische Schmerzen entwickeln können. Wenn wir es also ethisch auch nur halbwegs konsequent angehen wollen, helfen uns Zuchtfarmen für Abermillionen Insekten nicht weiter. Die so genannten Ento-veganer, die eine ansonsten strikt pflanzliche Kost um Insektenvertilgung erweitern,  geben für mich übrigens eher das Bild einer weiteren Sekte im Verbund ernährungsorienter Ersatzreligionen ab. Natürlich kann man auch Insekten essen, warum auch nicht, aber es wird sicher nicht die Welt retten.

Ganz davon abgesehen, will ich mir auch gar nicht ausmalen, was passiert, wenn Tierschützer Befreiungsaktionen von Insektenfarmen starten und die Menschheit von rachsüchtigen Krabblern in Angst und Heuschrecken versetzt wird.

Was bleibt? Die Hoffnung auf Zuchtfleisch. Jedenfalls für mich. Entbluteter Konsum von Fleisch, der ohne Tierleid möglich wird.

 

Wer braucht schon Superfood: Ein Hoch auf die Haferflocke!

Superfood. Wer den Begriff googelt, erhält – nein, ich hab‘ mich nicht mit den Nullen vor dem Komma vertan – einen satten Näherungswert von 121.000.000 Treffern. Keine Frage also, dass wir es hier mit einem Supertrend zu tun haben. Der sogar schon in stinknormale Supermärkte vorgedrungen ist. Unter Superfood versteht man im Allgemeinen nährstoffreiche Lebensmittel, die der Gesundheit und dem Wohlbefinden besonders förderlich sein sollen. Also alles super mit Superfood? Nicht unbedingt, weil eine solche Umschreibung suggeriert, einzelne Lebensmittel könnten gesund sein. Dabei gibt es aus meiner Sicht überhaupt keine gesunden Lebensmittel sondern nur gesunde Ernährung. Was ist das vitamreichste Supperfutter wert, wenn der positive Effekt durch den Konsum von Süßigkeiten, alkoholischen Getränken und Transfetten wieder zur Strecke gebracht wird? Aber Hauptsache die lästigen Gewissensbisse können mal an etwas Gesundem kauen. Ist so ähnlich wie mit dem überschätzten Kalorienverbrennungseffekt. Wer meint, mit dreißig Minuten lockerem Jogging ein großes Stück Sachertorte kalorienmäßig zu eliminieren ist nämlich genauso auf dem Holzweg. Ertappt? Macht nix. Ich bin alles andere als ein Gesundheitsapostel, nur etwas allergisch gegen manche Auswüchse der Selbsttäuschung.
Bevor ich aber komplett vom eigentlichen Thema abkomme, zurück zum Superfood und zu Nahrungsmitteln, die – formulieren wir es mal so – zu einer gesunden Ernährung auf besondere Weise beitragen können, weil viel Gutes in ihnen steckt. Das Geschäft brummt jedenfalls mit dem Verkauf von exotisch anmutenden Produkten wie Quinoa, Gojibeeren, Spirulina-Algen, Baobab und Acerola. Dabei gäbe es so viele Alternativen aus heimischen Gefilden, die auch wirkungsvoll sind, aber nicht über den halben Erdball geschippert werden müssen.
Zu den aus meiner Sicht am meisten unterschätzten Lebensmitteln zählen Haferflocken. Selbst in Bioqualität sind sie zudem günstig zu haben. Wer einmal die Mikronährstoffe von Haferflocken ins Visier nimmt, wird erstaunt sein, was da alles drin ist. Ein hoher Kaliumanteil zum Beispiel, auch reichlich Calcium, dazu Eisen, Magnesium, Zink, Phosphor, Vitamin B1 sowie pflanzliches Eiweiß. Die örtliche Biobäckerei meines Vertrauens, Hutzel, hat seit einer Weile köstliches Hafermischbrot im Programm, entweder mit Gerste oder mit Dinkel kombiniert. Man kann Haferflocken also nicht nur als Basis für Müsli verwenden sondern auch ganz prima als Vollkornbrot.

Ein Granatapfelmassaker für den besten aller Zwecke: Gesundheit

Auf der nach oben offen Skala für Lebensmittel, denen eine besonders positive gesundheitliche Wirkung nachgesagt wird, erreicht der Granatapfel (Punica Granatum) Spitzenwerte. Kaum ein Frauen-, Gesundheits oder Ausdauersportmagazin, das ihn nicht als Heilsbringer anpreist. Eine Reihe von Studien legen tatsächlich die Vermutung nahe, dass der auch kulturgeschichtlich bedeutsame Granatapfel positive Wirkungen haben könnte im Einsatz gegen Rheuma, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Da will es so gar nicht ins Bild passen, dass das gute Stück ausgerechnet bei den griechischen Göttern der Unterwelt so beliebt gewesen sein soll. Zugegeben, irgendwie passt es schon, weil nämlich bei der Bergung der blutroten Kerne ganz schnell ein solides Massaker angerichtet ist. Man gerät geradezu in einen Blutrausch, wenn man nicht aufpasst. So ergeht es mir jedenfalls, wenn ich mich nicht mit der Präzision eines Gefäßchirurgen ans Werk mache.
Ich schweife ab. Gesundheit also. Auf dieser Seite findet sich eine eindrucksvolle Liste, die alle Erkrankungen aufführt, denen der Granatapfel zu Leibe rücken kann. Auch wenn der hohe Anteil an Kalium, Vitamin C, Calcium und Eisen schon recht hoch erscheint – es ist wohl auf die Polyphenole zurückzuführen, dass der Granatapfel so wirkungsvoll ist. Deren Qualität soll die auch in anderen roten Beerenfrüchten enthaltenen Polyphenole bei weitem übersteigen. Nur herumgesprochen hat sich die heilsame Wirkung der Granatäpfel trotz vieler Medienbericht offenbar noch nicht, denn in jeden Supermarkt, wo ich einen dieser Wunderäpfel kaufe, liegt er wie Blei in den Regalen, und das Personal an der Kasse muss erst einmal im Handbuch nachschlagen, was sie kosten. Oder bei den Kollegen nachfragen, die es aber auch nicht wissen.
Meiner Informationspflicht- und schuldigkeit bin ich also nachgekommen. Sage niemand, er hätte es nicht gewusst. Ich jedenfalls adele mein morgendliches Müsli jetzt meistens mit einer üppigen Portion Granatapfelkernen. Und etwas hochprozentiger Bitterschokolade, die ebenfalls reich an Polyphenolen sein soll, aber das ist in diesem Fall zweitrangig. Da zählt mehr der geschmackliche Zusatznutzen.

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