Video: Molekularküche – Beispiel Calciumlaktatbad

Ich hatte heute Gelegenheit, das Fotoshooting für Heiko Antoniewicz‘ neues Buch „Fingerfood“ (ab November im Handel) zu verfolgen. Heiko und ich kennen uns inzwischen seit vierzehn Jahren, und ich bin immer wieder beeindruckt, wie viel Leidenschaft und Enthusiasmus er nach wie vor in seine Arbeit legt.
Seit zweieinhalb Jahren beschäftigt er sich nun schon mit Molekularküche, zuletzt als Küchendirektor bei Kofler. Und natürlich wies er mich darauf hin, dass es in der molekular inspirierten Küche nicht, wie ich es zuletzt im kompottsurfer zugespitzt formulierte, ständig Krach, Bumm, Peng macht. Die Gelegenheit, ein klitzekleines Video darüber zu drehen, wie Molekularküche funktionieren kann, konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Filme über diese vergleichsweise junge Kochrichtung gibt es im ganzen Web nämlich kaum. Hier also mal Rote-Beete-Kaviar, hergestellt im Calciumlaktatbad (aus den Salzen der Milchsäure). Das Bad ist übrigens nur deshalb so bräunlich, weil zuvor für das Foto-Shooting schon einiges darin zubereitet wurde. Ansonsten ist die Flüssigkeit ganz klar. Für alle Hobbyköche, die es mit der Molekularküche einmal selbst probieren, und zum Beispiel ein paar Kaviarperlen herstellen möchten, finden sich bei chefsimon hilfreiche Hinweise. Ich bin ganz hingerissen von der Kreation Façon Trash-Disco, die Dinger sehen aus wie Smarties oder gar Ecstacy-Pillen. Vielleicht sollte ich mal welche produzieren und dann für viel Kohle in irgendeinem großen Techno Club verticken. Derart gesunde Pillen haben die Leute da bestimmt noch nie geschluckt.

Fett als 6. Geschmackssinn und die tastende Zunge

In der digitalen ZEIT geht der von mir sehr geschätzte Autor Gero von Randow der Frage nach, wie stark der Einfluss der Konsistenz einer Mahlzeit (neben den Faktoren Geschmack und Wissen um die Tierhaltung) auf den Appetit ist. Ich halte das für die aktuell interessanteste kulinarische Geschmacksfrage überhaupt, und ihr wird durch die molekulare Küche erstmals auch praktisch umfänglich Beachtung geschenkt. Mich beschäftigt in diesem Zusammenhang auch die neueste Entdeckung der Wissenschaft, dass es neben den Rezeptoren für süß, sauer, salzig, bitter und unami auch einen Geschmackssinn für Fett auf der Zunge gibt. Bisher galt Fett landläufig nur als Geschmacksträger und als Inhaltsstoff, der auf die Konsistenz von Essen Einfluss hat, aber es galt nicht als eigene gustatorische Grundqualität. Welche Folgen diese Entdeckung für die Entwicklung der Kochkunst haben wird, ist, finde ich, schwer abzuschätzen. Vielleicht nimmt sich ja die molekulare Küche des Themas an, bevor Divisionen von Diät- und Gesundheitsexperten das sensorische Extra als teuflische Ursache für Fettleibigkeit isoliert haben.

Molekulare Küche – kulinarische Kunst

Die Nachricht, dass Heiko Antoniewicz wieder zurück ist im Ruhrgebiet und sich inzwischen auf Molekulare Küche spezialisiert hat, ritt der Kompottsurfer ja schon vor ein paar Tagen ab. Jetzt erfuhr ich, dass es auf der Frankfurter Buchmesse eine Veranstaltung zum Thema Molekuare Küche geben wird, wo Heiko Antoniewicz einen Vortrag halten und in einer Demonstration zeigen wird, wie Molekulare Küche funktioniert. Veranstalter sind das Unternehmen Degussa, das Fraunhofer Institut und die Aktionslinie hessen-nanotech des Hessischen Wirtschaftsministeriums, sowie women.de.
Molekulare Küche, 8. Oktober 2006, ab 16.30 Uhr im Forum der Frankfurter Buchmesse

Molekularküche: Krach, Bumm, Schmatz

MolekularkücheSo langsam gewinnt die Molekularküche auch in Deutschland Anhänger unter den Köchen und Gastronomen. Während Deutschlands Genussbundesanwalt Wolfram Siebeck diese Köche als „verkrachte Chemiestudenten“ abserviert, die „mit Injektionsspritzen … den Schweinebraten impfen, damit die Moleküle was zu lachen haben“ (DIE ZEIt), sehen Kritiker wie Jürgen Dollase (FAZ) in den Bemühungen von Avantgardisten wie Ferran Adria die positiven Aspekte, nämlich die Ausrichtung auf Erkenntnisgewinn, die es in dieser Form bisher kaum gegeben hat in der Geschichte der Haute Cuisine. Natürlich lädt die an Laborversuche erinnernde Werkelei der Köche dazu ein, derbe Späße a la Siebeck zu machen, aber ich spiele ausnahmsweise mal die Spaßbremse, denn die Molekularküche ist zu wichtig, als sie derart abzuwerten, weil sie ganz besonders in Bezug auf Aggregatzustände, Temperaturen und deren Wahrnehmung Erkenntnisse bringen wird, die neu sind, die allen nutzen und vor allem in Genussgewinn münden wird, davon bin ich überzeugt. Es geht hier nicht um Ideologien, nicht um Tradition und Moderne, es geht darum, eine höchst sinnliche Angelegenheit wissenschaftlich anzugehen. Und das stört so manche Genussromantiker, die es vermutlich auch gerne hätten, wenn der Winzer seine Weintrauben noch höchstselbst mit nackten Füßen zerstampft.
Mehr Infos zur Molekularküche auf Wikipedia
Das Foto stammt übrigens von einer Demonstrationsveranstaltung zur Molkularküche im Bliss (Essen), wo mit flüssigem Stickstoff und entsprechender Sicherheitsausrüstung hantiert wurde.

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