Eric Werners letzter Gang im Kölner Wasserturm: „Es wird Zeit für ein eigenes Restaurant.“

Mein Besuch bei Eric Werner war ganz anders geplant, so viel vorweg. Der ehemalige Küchenchef des Essener Zweisterne-Restaurants Résidence, das nach 32 Jahren im Dezember 2016 schloss, war im letzten Jahr Richtung Köln gezogen, um sein Schaffen im noblen Hotel Wasserturm fortzusetzen. Das Restaurant ist im elften Stockwerk des Turmgebäudes verortet, und wohl auch deshalb wurde es auf Himmel und Äd getauft, zumal es mit dem gleichnamigen regionalen Küchenklassiker einen kulinarischen Bezugspunkt gibt. Aber wie das so ist zwischen Himmel und Hölle, pardon: Erde – es gibt reichlich Platz für Bewegung.

Eigentlich wollte ich mit Eric Werner den Auftakt einer neuen Themenreihe für den kompottsurfer starten, aber das Vorhaben geriet in den Hintergrund als Eric mir eröffnete, die neue Betreibergesellschaft des Hotels werde das Restaurant oben schließen, weil es andere Pläne mit den Räumlichkeiten habe. Eine sehr kurzfristig bekannt gemachte Entscheidung, die für den hochveranlagten Koch schon den zweiten schließungsbedingten Wechsel innerhalb von nur eineinhalb Jahren bedeutet. Aber während Berthold Bühler aus der Essener Résidence seinen Gang in den Ruhestand und das Ende seines namhaften Hotel-Restaurants langfristig anging, kommt das Himmel und Äd gefühlt schneller unter die Erde als der Fahrstuhl vom elften Stockwerk des Wasserturms in die Tiefgarage.

Natürlich wollte ich wissen, ob er schon einen Plan habe, und war erstaunt, dass Eric Werner so schnell bereits klar war mit seiner beruflichen Zukunft. Er werde sein eigenes Ding machen, ein eigenes Restaurant in Köln, sagte er mir. Und wenn alles so läuft wie er sich das wünscht und vorstellt, könnte es bereits im Sommer so weit sein. Natürlich wird der kompottsurfer dranbleiben und berichten, wie es für den ambitionierten Küchenchef in der Domstadt weitergeht.

Und so tischten Eric und sein Team ein letztes Mal auf. Ein letztes Mal Kochkunst im Wasserturm, begleitet von klug ausgewählten Weinen und zwischenzeitlichen Gesprächsbesuchen des Küchenchefs, wo ich einen genussreichen und kurzweiligen Abend mit liebenswerten Tischnachbarn verbringen durfte. Kulinarisch besonders begeistert haben mich im Menü die Feldsalat-Mousse, Rauchfisch-Essenz, Apfel und Imperial Kaviar, das wunderbar fein durchzogene Kagoshima Rind A5, das bestem Kobe in nichts nachsteht, großartiger grün-weißer Spargel aus Frankreich, ein goldenes Mandel-Schoko-Ei mit Rhabarber und Vanille und und und. Wie „und und und“? Will der kompotssurfer seine Leser etwa damit abspeisen? Will nicht, aber muss. Leider. Ich habe am Tisch nicht mitgeschrieben, ich wollte ungestört genießen, und eine Karte habe ich auch nicht mitgenommen. Deshalb möge man mir die Unschärfen verzeihen. Und wo wir gerade bei Unschärfe sind: An so viel Wein bin ich in einer intensiven Trainingsphase wie jetzt auch nicht mehr gewöhnt.

Ich kann nur sagen, dass ein paar der letztjährigen Gastronomieführer ein ganzes Stück an der Leistungsfähigkeit von Eric Werner vorbei bewertet haben. Bleibt zu hoffen, dass ihn seine Arbeit in der neuen Örtlichkeit dahin bringt, wo er hin will: nach oben. Und zwar ganz ohne Aufzug.

Interview mit Chefredakteurin Patricia Bröhm über den Gault&Millau 2018: „in jungen deutschen Restaurantküchen wird immer weniger gekocht.“

Gerade ist der Restaurantführer Gaul&Millau in seiner 2018er Edition erschienen, erstmals nicht mehr im Christian Verlag sondern beim ZS Verlag München. Für den kompottsurfer ein willkommener Anlass, Chefredakteurin Patricia Bröhm Fragen zur aktuellen Entwicklung in der heimischen Gastronomieszene und der Ausrichtung des Gault&Millau zu stellen.

Liebe Frau Bröhm, welche Herausforderungen galt es zu meistern, den Gault&Millau Deutschland nach einer gefühlten Ewigkeit beim Christian Verlag nun innerhalb kurzer Zeit unter neuem Dach erscheinen zu lassen?

Für die Testequipe und die Redaktion konnte die Arbeit diesmal leider erst im Mai beginnen. Aber wir mussten ja unsere Freude am Genuss und am Guide nicht neu erfinden, sondern setzten uns wie immer mit großer Begeisterung und vorurteilsfrei zu Tisch. Die größere logistische Herausforderung hatte der neue Verlag als vierter in unserer 35-jährigen Geschichte zu meistern.

Die 2018er Ausgabe Ihres Restaurantführers ist gestern in München vorgestellt worden. Was hat Sie im abgelaufenen Jahr kulinarisch am meisten überrascht, positiv wie negativ?

Dass die deutsche Küche heute so facettenreich und kreativ wie nie zuvor ist und keinen internationalen Vergleich scheuen muss. Dass vor allem in jungen deutschen Restaurantküchen immer weniger gekocht und immer mehr mit Technologie hantiert wird, ohne dadurch Geschmack und Genuss zu bereichern.

In der absoluten Spitze haben Deutschlands beste Köche Weltniveau erreicht. Der Gault&Millau hat aber immer auch Restaurants aus dem gesamten Unterbau im Blick, der im Grunde viel mehr über die Durchdringung eines Landes mit guter Küche aussagt als das Geschehen an der Spitze. Wie sehen Sie die Entwicklung bei den Häusern mit 13 oder 14 Punkten – Stagnation, Rückschritt oder Fortschritt?

Chefredakteurin Gault&Millau Deutschland Patricia Böhm (Bild: P. Böhm)

Es freut mich, dass es immer mehr Restaurants auf diesem Niveau gibt. Ich würde mich noch mehr freuen, wenn deren Küchen nicht so oft dem Mainstream folgen, sondern eher einen hauseigenen Stil entwickeln würden.

Ich kann mich noch gut an eine heiße Diskussion vor etwa zehn Jahren mit Ihrem Vorgänger, Herrn Kohnke, erinnern. Er widersprach vehement meiner Ansicht, dass es schon in absehbarer Zukunft Spitzenküche ohne wissenschaftlich basiertes Kochen nicht mehr gäbe. Er reduzierte das, was damals unter – etwas unzutreffend – Molekularküche firmierte, zu einer stilistischen Angelegenheit, die für ihn so etwas wie Verrat an der Kochkunst darstellte. Heute gibt es in der kulinarischen Champions League kein Restaurant mehr, dessen Küche die neue Technologie nicht nutzt. Wie steht der Gault Millau heute dazu?

Ich weiß nicht, was Manfred Kohnke in seinen Gault&Millau-Jahrzehnten bei Diskussionen gesagt hat. Im Guide selbst äußerte er sich zu dem Thema nur 2010 im Vorwort u.a. so: „Die molekulare Küche ist bislang keine geschmackliche Bereicherung, was ihre intelligenten Befürworter zugeben … Gleichwohl versuchen moderne Markentender die von den Molekularköchen genutzte Chemie für salonfähig zu erklären und zu geschmacklosen Geschäften zu nutzen. Beispielsweise auch jene schwarzen Kügelchen, die hierzulande Heringskaviar oder – was ja noch lautmalerischer klingt – Avruga oder Harenga genannt werden und bei französischen Behörden, die sich mit dessen Einfuhr und Erlaubnis beschäftigten, Heringsmüll heißen.“
Zum heutigen Stand: der Gault&Millau bewertet nach wie vor nicht die von Köchen im Rahmen ihrer kochkünstlerischen Freiheit benutzte Technologie, sondern nur das geschmackliche Ergebnis, das den Gästen serviert wird.

Als ich in jungen Jahren, Ende der 1980er, begann, gute Restaurants in Deutschland und Frankreich zu besuchen, war mir der Gault&Millau ein treuer Begleiter und Hinweisgeber. Ich mochte die etwas rotzige Art der Kritik, und mir gefiel auch, dass nicht einfach nur Noten verteilt, sondern Urteile auch begründet wurden. Natürlich machte man sich damit angreifbar, aber für den Leser war es hilfreich. Was mich allerdings damals wie heute irritiert hat: die regionale Ungleichheit der Benotung, gerade im unteren Bereich. Restaurants mit 13, 14 oder 15 Punkten, zum Beispiel in Bayern, waren oft nicht auf dem Niveau unterwegs wie gleich bepunktete Lokale in NRW oder Niedersachsen. Was tun Sie, um diese Diskrepanzen zu minimieren?

Ich tue das, was schon die Gründerväter Henri Gault und Christian Millau taten. Tester haben zwar als erfahrene Essensgeher eingeschliffene Reflexe, die bei Tisch unabhängig von ihren privaten Freuden oder Sorgen, von Tagesform oder Umgebungseinflüssen funktionieren, aber sie sind auch immer Menschen, mal mit großzügiger, mal mit strengerer Wesensart. Die Diskrepanz zwischen weitherzigem Aufrunden und skeptischem Abrunden bei den Noten muss man anhand der gelieferten Begründungen oder bei Gesprächen im Testerkreis ausgleichen.

Die Produktion von Restaurantführern ist eine immens teure Angelegenheit. Viele Häuser wird man aus Kostengründen nur einmal pro Jahr besuchen können. Haben Sie keine Sorgen, dass ein schiefes Bild entsteht, wenn Lokale, die zuletzt im Januar 2017 besucht wurden, im 2018er Guide als verlässliche Orientierung dienen sollen? Nicht alle Restaurants bieten die Konstanz katholischer Osterliturgie, sondern offenbaren Leistungsspektren wie ein Überraschungsei.

Da unsere Tester in ihrem Testgebiet leben und arbeiten, gewinnen sie ihre Urteile über ein Restaurant nicht aus einmaligem Besuch, sondern aus ihren Erfahrungen bis zum Redaktionsschluss im Oktober. Tagesaktualität können Guides allerdings genauso wenig bieten wie Foodblogger oder Bewertungsportale.

Sind papierne Gastronomieführer in Zeiten von Internet und Smartphone überhaupt noch zeitgemäß, oder sollte man die Kosten dafür nicht einsparen und einem top aktuellen Onlinedienst zuschlagen?

Ich vermute mal, dass es den Gault&Millau und den Michelin solange gibt, wie sich die Gäste bei Tim Raue, in der Schwarzwaldstube oder im Tantris nicht sagen lassen möchten: Eine Speisekarte haben wir nicht mehr, Sie können ja auf Ihrem Handy schauen, was es heute bei uns zu essen gibt…

Frau Bröhm, herzlichen Dank für Ihre Einschätzung.

Ganz wild auf Gamsfleisch

Ich hatte tatsächlich geglaubt, so ziemlich alles an jagbarem Wild probiert zu haben, das in mitteleuropäischen Regionen daheim ist. Aber da hatte ich die Rechnung ohne den Hüttenwirt gemacht. Horst Schallhart, der gemeinsam mit seiner Frau Evi die Halleranger Alm im Karwendelgebirge betreibt, servierte mir neulich eine Portion Spaghetti mit Gamsfaschiertem als ich nach einer augedehnten Bergtour reichlich hungrig in seiner Gaststube zu Tisch saß. Der Wirt ist ein authentischer Typ mit Humor und klarer Kante, was seine Ansichten angeht. Die Berge sind von jeher sein Zuhause, die Landschaft und Tierwelt dort oben zu schützen ist ihm ein Anliegen. Ich sehe ihn als Bruder im Geiste, wenn es darum geht, die Bergwelt nicht weiter zu einem Freizeitpark auszubauen, wo jeder dritte Hang mit einer Seilbahn versehen ist, Sendemasten das Internet in die hintersten Winkel bringen und der Trend zum E-Mountainbiken behäbiges Touristenvolk nach oben spült, das auf jeder Hütte Ladestationen für ihre gefräßigen Akkus erwartet. Ahnungslose, die nicht wissen, wie mühsam jede Kilowattstunde Strom erwirtschaftet werden muss. Auf der Halleranger Alm zum Beispiel mit der Wasserkraft der jungen Isar, die auf dem Grundstück entspringt. Und mit einer Solaranlage auf dem Dach eines Anbaus.

Schallhart ist aber nicht nur Hüttenwirt. Auf seiner Alm grasen auch jeden Sommer ein paar hundert Rindviecher, denen er den Aufenthalt auf seinen Almwiesen so angenehm macht wie den Gästen seiner Hütte die Einkehr in seine Gaststube. Keine dieser aufgemotzten Milchmonster, sondern Tiroler Grauvieh, gutmütige, widerstandsfähige Tiere mit enormen Kletterfähigkeiten. Ich habe sie beim Almabtrieb beobachten können, der für die Tiere zunächst durch ein Schotterkar von 1.800 m auf 2.200 m Höhe extrem steil bergan ging, um dann über das Lafatscher Joch ins Halltal zu gelangen, wo sie den langen Winter verbringen. Niemals hätte ich für möglich gehalten, dass die Rindviecher da hoch kommen. Aber sie schafften es problemlos.

Ganz anders meine Erlebnisse mit den sehr geländegängigen Gämsen. Erst tags zuvor hatten zwei Tiere meinen Trainingslauf hinauf zum Sunntiger-Gipfel unterbrochen, weil sie sich in kaum zwanzig Metern Entfernung auf das einzige Stück felsigen und verschneiten Pfad stellten, das begehbar war. Vermutlich dachten sie: Was macht der Typ hier in unserem Revier? Ich musste unwillkürlich an die Graubündner Steinböcke Gian und Gachen denken. Und ihr legendäres Gespräch über Kletterer: „Weißt du was ich bei diesen Bergsteigern nicht verstehe? Die sind sooo langsam. Aber ausgerüstet wie für eine Mondlandung … “ (hier der TV-Spot). Schon im nächsten Moment sah ich die beiden Gämsen leichthufig den Abhang queren, und weg waren sie.

Wer diese Tiere bejagen will, muss nicht nur Geduld haben, sondern auch klettern und in der Lage sein, die gut und gerne 40 Kilogramm schweren Gämsen zu Schultern und ins Tal zu bringen. Horst Schallhart kann das. Aus etwa 200 Metern Entfernung nimmt er das Wild ins Visier. In der Höhenluft ist es allerdings noch schwieriger einen Treffer zu landen als im Flachland, weil zumeist steil nach oben oder unten geschossen werden und die Gravitationskraft einberechnet werden muss. Da er das Metzgerhandwerk gelernt hat, weiß er auch sehr genau, auf welche Weise Wild geschossen werden sollte, nämlich hinter das Schulterblatt in die Lunge, weil sonst die Vorderkeulen unbrauchbar werden.

Der Geschmack von Alpengamsfleisch ist das aromatischste Wildbret, das ich bisher gegessen habe. Kein Wunder, die Tiere futtern ihr Leben lang nur vom Feinsten. Triebe von Erlen, Weiden und Kiefern. Alpenrose, Bergkräuter, Gräser und Moos. Zum Abschied drückte mir Horst ein kiloschweres Päckchen in die Hand. Drinnen Knochen und Fleisch aus der Gamsschulter. Daraus fabrizierte ich daheim sogleich ein Gulasch. Dazu gab’s Kartoffelstampf, Rote Schmorzwiebeln und einen Cabernet Sauvignon. Wie sagen die Leute in den deutschsprachigen Alpenregionen immer? Passt!

Die vielleicht besten Pommes am Meer

Es gehört irgendwie zusammen, Pommes und Baden. Nein, nicht die Pommes im Fett sondern der Mensch im Wasser. Ob im Schwimmbad oder am belebten  Strand – die Portion Fritten ist nicht wegzudenken. Was schließen wir daraus? Genau, der kompottsurfer bloggt auf Meereshöhe und nicht von den  Bergen herunter wie sonst im Sommer. Warum? Lange Geschichte, aber in Kürze: Der Schreiber hat Fuß. Also nix mit x mal Zugspitze hochkraxeln, wie ursprünglich geplant. Aber ich schweife ab. Pommes und Meer war der Gedanke. Ja, und da muss ich unbedingt diese sensationellen Knusperstäbchen erwähnen, die ich gestern im niederländischen Westkapelle verputzte. Immer noch so gut wie bei meinem ersten Besuch 2003. Ganz frisch aus Kartoffeln geschnitten, nicht überwürzt und knusprig. Für die Pommes von Melis, wie die Bude heißt, steht so viel Kundschaft an, dass Wartenummern gezogen werden müssen wie im Einwohnermeldeamt. Nur, dass nicht so lange gewartet werden muss und es am Ende nie so ausgeht wie im Amt, wo man fast immer irgendwas nachreichen soll. Wer also mal in der Gegend ist sollte unbedingt für einen Imbiss vorbeischauen.

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